Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
Ratte, die man zu Brei schlagen konnte, und hinterher sprang sie auf ihre widerlichen Pfoten und flitzte davon. Er würde es dennoch wagen. Die letzte Schlacht sollte auf der Insel ausgetragen werden, der letzte Kampf unter einstigen Giganten, die doch alle Verlierer waren.
    »Wir sind uns einig?«
    »Wenn Ihr es so nennen wollt, dann sind wir es.«
    Im nächsten Augenblick schwang die Tür des Saales auf. »Späte Gäste«, bemerkte Montfichet dümmlich.
    Cyprians Wangen wurden kalt. Er legte die Fäuste daran und presste sie gegen die Haut, aber es half nichts. Das durfte nicht sein. Nicht hier. Nicht jetzt, wo ihm keine Zeit blieb, sich zu wappnen, und erst recht kein Weg zur Flucht.
    »Es reisen noch Männer an, die in Wales die Stellung gehalten haben, weil am vierzehnten Januar das Parlament eröffnet wird«, plapperte der Idiot weiter.
    Cyprian hatte gewusst, dass ihm diese Begegnung bevorstehen mochte. Immerhin hatte Robert ihn gewarnt und sich dafür einen Faustschlag eingehandelt. Er senkte den Kopf so weit, dass es den Eindruck erwecken mochte, als glotze er leicht besoffen auf den Tisch, und presste seine Fäuste mit aller Kraft auf seine Wangenknochen. Die vier Männer durchmaßen den Saal mit eiligen Schritten, um sich dem Treiben im Nebenraum anzuschließen. Zwei von ihnen murmelten einen belanglosen Gruß. Der Entstellte, der sie anführte, trug einen schlichten schwarzen Surcot, wie ihn sich nur Männer mit mächtigen Schultern und einem geschmeidigen Gangwerk leisten konnten. Er wandte den Blick nicht einmal für den Bruchteil eines Atemzuges und grüßte so wenig wie der massige rotgesichtige Brocken, der ihm wie ein Köter auf den Fersen folgte.
    »Was hat der im Parlament zu suchen?«, platzte Cyprian heraus.
    »Oh, war Euch das nicht bekannt?«, erwiderte Montfichet. »Der König hat ihm eine Baronie verliehen.«
    »Wofür?«
    »Es hat den Anschein, als wärt Ihr lange nicht bei Hof gewesen. Der König mag ihn – er hat in Wales Ergebnisse erzielt, auch wenn seine Methoden mehr als fraglich sind. Vor allem aber mag er, was er mit seinen Falken zustande bringt.«
    »Verdammte Falkner werden in diesem Land keine Barone!«
    Den halb neugierigen, halb mitleidigen Blick, mit dem Montfichet ihn bedachte, spürte Cyprian, ohne den Kopf zu wenden. »Mir müsst Ihr das nicht sagen«, versicherte der kleine Mann. »Meine Empörung gleicht der Euren, insbesondere was diesen verfetteten Sohn eines Schankwirts betrifft, der letzthin wahrhaftig einen Ritterschlag erhielt. Es sieht aus, als ließe sich ausgerechnet unser über jede Schwäche erhabener König von einem unmanierlichen Nestbeschmutzer etwas einflüstern.«
    Worüber du vor Neid demnächst aus den Nähten platzt, durchfuhr es Cyprian. Er nahm den Kelch, in den er gespuckt hatte, und leerte ihn, um mit irgendetwas den Wirbel aus Gefühlen zu ertränken: rasender Zorn und tödliche Kränkung und zu allem, als verfalle er demnächst dem Irrsinn, ein Anflug von Stolz. Aus dem Nebenraum drang jetzt die Stimme, die dem Gesang gefehlt hatte; sie war zu hoch und zu welsch, aus allen übrigen herausragend und gottverdammt betörend.
    »Nichts von Euch gleicht nichts von mir«, bellte er Montfichet an. »Wegen der Insel sprechen wir uns.«
    »Wie beliebt, Mylord.«
    Ein »Gute Nacht« brachte Cyprian nicht mehr heraus. Stattdessen stieß er den Kelch um und verließ den Saal.

36
    E
s ist ein Besucher am Tor, Mylady Countess.«
    Isabel stand auf. Seit Langem ließ sie Besucher zuerst ihrem Stewart melden, der sich derer, die nicht willkommen waren, entledigte, ohne seine Herrin zu belästigen. Dass Roger niemanden melden würde, den sie nicht empfangen wollte, wusste sie, er hatte sich oft genug dafür Ärger eingehandelt. Es gab ohnehin nicht mehr viele Besucher, die sie empfangen wollte. Sie warf einen Blick auf Adam, der unter dem Fenster saß und mit Figuren aus Jaspis und Kristall gegen sich selbst Schach spielte. Großes Vergnügen bereitete es ihm nicht, da der Reiz des Spieles für ihn im Betrug des Gegners bestand. Aber mit seiner alten Leidenschaft für Luxus hielt er die kostbaren Figuren gern in den Händen, und zudem war ihnen beiden letzthin jede Ablenkung recht.
    Adam wandte den Kopf zur Tür. Auf sein Gesicht trat ein Ausdruck, den Isabel jetzt immer häufiger wahrnahm. Er stand ihm nicht. Es war ein Ausdruck von Furcht.
    Isabel fürchtete sich nicht. Jegliche Furcht war ihr so fremd geworden, dass sie ihre Wachen bis auf zwei

Weitere Kostenlose Bücher