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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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von den Papyri, die im davorliegenden Saal ausgestellt waren. Große Schaukästen ermöglichten es, Jahrtausende alte Verträge und Quittungen, Listen und Register aufzufächern. Und so stand sie dort und studierte ein Verzeichnis von Sklaven, als eine andere Besucherin neben sie trat. »Danke«, flüsterte die schwarze Frau. »Ich bin Ihnen so dankbar.«
    Natascha seufzte. »Mir ist das unheimlich«, sagte sie.
    »Mir auch. Aber ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll.«
    »Hören Sie. Ich weiß nicht, worum es geht. Und ich bin ziemlich sicher, dass ich Ihre Probleme nicht lösen kann. Wenn mich meine Mitarbeiterin nicht darum gebeten hätte …«
    Die fremde Frau legte ihre Hand wie zufällig auf Nataschas. »Ich verstehe Sie gut«, raunte sie, während sie sich über die Glasplatte beugte, unter der ein durchscheinendes antikes Blatt gleichsam zu schweben schien. Sie deutete mit dem Finger darauf, als würde sie etwas dazu sagen wollen. Natascha beugte sich zu ihr. Nun waren sie sich so nahe, dass sie von niemand anderem gehört werden konnten.
    »Ich habe lange überlegt, ob ich jemandem davon erzählen soll. Aber es lässt mir keine Ruhe. Ich habe selbst ein kleines Mädchen«, sagte die Frau leise.
    »Was ist mit Ihrer Tochter? Ich habe sie gesprochen …«
    »Ach Gott, es ist so schrecklich«, stieß die Fremde hervor, und Natascha konnte ein Beben in ihrer Stimme hören. »Wenn ich nur wüsste … Ich habe sie seit Tagen nicht gesehen. Aber ich kann nicht nach Hause gehen. Nicht solange …« Sie sah Natascha ins Gesicht. Dann beugte sie sich wieder über den Schaukasten, und Natascha tat es ihr gleich. »Wenn es nur um mich ginge, würde ich meine Arbeit tun und warten, bis sie mich irgendwann wieder gehen lassen«, sagte die Frau.
    Eine Bewegung, die sie aus dem Augenwinkel wahrnahm, ließ Natascha aufblicken. Hinter einer der hohen Vitrinen im vorgelagerten Saal konnte sie schemenhaft eine klein gewachsene Gestalt ausmachen, ein Kind. Einer der Aufseher verließ den Raum der Papyri und ging hinüber, das Kind verschwand aus Nataschas Blickfeld. »Bis wer Sie gehen lässt?«
    »Die gleichen Leute, die auch Kinder lieben.«
    »Wir alle lieben Kinder«, sagte Natascha und richtete sich etwas auf. Die fremde Frau nahm ihre Sonnenbrille ab, und Natascha konnte sehen, dass ihre Augen geschwollen waren. Hatte sie geweint? War sie geschlagen worden? »Wir alle lieben Kinder, natürlich«, sagte sie. »Aber sie lieben sie, verstehen Sie? Sie lieben sie auf eine andere Weise.«
    Natascha sog scharf die Luft ein. »Sie meinen, es geht um Pädophilie?«
    Die Frau nickte. »Kinder verschwinden. Und ich weiß, wohin sie verschwinden. Ich weiß auch, für wen sie arbeiten müssen. Und wo.«
    »Hören Sie«, sagte Natascha. »Das ist ein Fall für die Polizei. Wenn Sie etwas über Kindesmissbrauch wissen, dann müssen Sie damit unbedingt zur Polizei gehen …«
    Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. »Die Polizei, ich …«, sagte sie und schluckte. »Ich habe versucht … Ich glaube nicht, dass ich das der Polizei sagen kann.« Sie hielt inne und wartete, bis ein Mann, der gegenüber an einem der anderen Schaukästen stand, endlich in den Raum der Nofretete weitergegangen war. Einer der Museumswärter beobachtete die beiden Frauen von der Tür her. Ein junges Paar schlenderte durch den Raum, sehr nah an ihnen vorüber. Natascha drückte auf einen der Knöpfe am Schaukasten und ließ eine andere Sammlung von antiken Dokumenten zum Vorschein kommen. »Es stecken so mächtige Männer dahinter«, sagte die fremde Frau leise und wischte sich mit den Handrücken über die Augen. Dann setzte sie ihre Sonnenbrille wieder auf. »Ich habe Angst um meine Tochter. Wenn ich zur Polizei gehe, dann wissen sie, dass ich etwas gesagt habe.«
    »Ich kann auch nur zur Polizei gehen«, sagte Natascha.
    »Wenn Sie das tun, ist es etwas anderes. Sie sind eine berühmte Politikerin. Ich bin nur … Ich bin … Sie wissen, was ich bin.«
    Natascha nickte. »Aber was soll ich denn der Polizei sagen?«
    »Ich habe Ihnen die Adressen aufgeschrieben. Es gibt mehr. Aber das sind die, die ich kenne.« Mit zitternden Fingern nahm die Frau einen Zettel aus ihrer Manteltasche und hielt ihn Natascha hin. In dem Moment hörten sie beide einen Schrei aus dem Nebenraum. »Mama!« Die Stimme eines Mädchens. Ein Ruck ging durch den Körper der fremden Frau. »Lili?« Sie schlug die Hand vor den Mund, dann warf sie den Zettel auf den

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