Kalte Wut
eigener Initiative gehandelt, Walvis hat später davon erfahren und ihn angewiesen, die Bombe, die er bereits angebracht hatte, sofort wieder zu entfernen.«
»Aber weshalb?« In ihrer Frustration schlug Paula mit der Faust leicht auf seinen Arm.
»Weshalb?«
»Weil Walvis beschlossen hat, daß er mit mir zusammentreffen will. Darauf kann er noch eine Weile warten –wenn er lange genug am Leben bleibt.«
Marier setzte die drei am Hauptbahnhof ab. Philip lief los, um die Fahrkarten zu kaufen. Tweed betrat die Halle und warf einen Blick auf die Abfahrtstafel. Nachdem Marier Paula geholfen hatte, ihr Gepäck aus dem Wagen auszuladen, stieg er wieder ein.
»Viel Glück«, rief er ihr zu.
»Aber Sie fahren doch mit uns«, protestierte sie. »Das jedenfalls hat Tweed gesagt.«
»Das war nur ein kleiner psychologischer Trick. Wie Sie wissen, kommen Bob Newman und ich nicht sonderlich gut miteinander aus – es sei denn, wir stecken in irgendeiner Klemme.«
»Ja, das weiß ich natürlich. Aber es war doch vorgesehen, daß Sie mit uns im Zug nach Salzburg fahren.«
»Das war eine Taktik, auf die Tweed und ich uns insgeheim geeinigt hatten. Um zu vermeiden, daß Newman in die Luft geht.
Ich warte, bis Bob aus München abgefahren ist, dann fahre ich gleichfalls nach Passau. Tweed glaubt nämlich, daß dies das gefährlichste Unternehmen sein könnte.«
26
In seinem abgelegenen Bauernhaus verfugte Walvis über sein eigenes Büro, einen großen Raum, in dem alle Möbel – sein riesiger Schreibtisch und fast alles andere, Stühle, Tische, Schränke und die Bücherregale an den Wänden –aus Teakholz bestanden. Walvis liebte Teakholz. Es verkörperte Stärke.
Er trug Arbeitskleidung: eine übergroße Cordhose, eine Lederjacke und ein kariertes Hemd, dessen Kragen offenstand und seinen dicken Hals sehen ließ. Alles war nach Maß angefertigt; Rosa Brandt gab einem Münchener Schneider die Größen an und ließ von jedem neuen Kleidungsstück drei Exemplare herstellen.
Es war zehn Uhr morgens – etliche Stunden vor Tweeds Aufbruch nach Salzburg —, als das Telefon läutete. Vor Walvis lagen die Tageszeitungen, die über die Welle von Explosionen in den Rüstungsfabriken in aller Welt berichteten. Seine massige Hand ergriff den Hörer.
»Ja.«
»Hier ist Lucien. Ich habe eine gute Nachricht für Sie, Sir.«
»Dann heraus damit, und zwar ohne lange Umschweife.«
»Ich habe durch Kontaktleute Ziggy Palewski aufgespürt. Er ist in Salzburg …«
»Und wo da? Seien Sie ausnahmsweise einmal präzise.«
»Seinen genauen Aufenthaltsort kenne ich nicht. Ich habe ihn nur für eine Minute in der Altstadt gesehen. Dann ist er verschwunden. Aber er war es, ganz eindeutig.«
»In der Altstadt. Das paßt zu Palewski. Ich werde sofort jemanden schicken, der sich um ihn kümmert.«
»Wollen Sie, daß ich mich mit dieser Person treffe? Vielleicht am Bahnhof?«
»Wenn Sie mit ihr zusammentreffen würden, wären Sie sehr schnell tot. Versuchen Sie weiter herauszufinden, wo er sich verkrochen hat. Wenn es Ihnen gelungen ist, hinterlassen Sie eine Nachricht im ÖH, adressiert an Magda Franz.«
»Das ÖH – das Hotel Österreichischer Hof.«
»Sie scheinen sich in Salzburg auszukennen. Und nun machen Sie sich schleunigst wieder auf die Suche nach Palewski.«
Walvis legte ohne ein Wort des Dankes den Hörer auf. Dann wählte er eine Nummer, sprach mit seiner üblichen Kontaktperson für Teardrop und gab ihr die Information, die er gerade von Lucien erhalten hatte.
»Teardrop soll sich beeilen«, fuhr er fort. »Ich möchte, daß diese Sache so schnell wie möglich erledigt wird. Bis später …«
Er legte gerade den Hörer wieder auf, als ihm auffiel, daß die zu Rosas Büro führende Tür einen Spaltbreit offen stand. Mit gerunzelter Stirn stemmte er sich aus seinem Sessel hoch, stapfte leise zu der Tür und stieß sie ganz auf. Rosa Brandt lag lang ausgestreckt auf einer Couch an der Wand, mit dem Kopf auf einem Kissen. Sie blieb still liegen, als er auf sie zukam.
»Haben Sie gehört, was ich eben am Telefon gesagt habe?«
»Ich habe überhaupt nichts gehört«, erwiderte sie auf Deutsch, der Sprache, in der Walvis sie angesprochen hatte. »Ich fühle mich nicht wohl. Erschöpfung, nehme ich an. Ich werde in meine Wohnung in München fahren und mich ins Bett legen. Ich brauche ein bißchen Ruhe.«
»In Ihrer Wohnung gibt es kein Telefon. Was ist, wenn ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen möchte?«
»Ich werde Sie
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