Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
reden, hat mich aber nicht erreicht, weil ich gestern Abend bei meinen Eltern war. Sie hat zu Klaus gesagt, wir sollen ihrer Mutter ausrichten, dass es ihr gut geht.«
»Kennt Ihr Freund Agnes’ Stimme? Ist er sich sicher, dass sie es war?« Pia traute weder der Frau vor ihrem Bett noch Klaus Biel von hier bis zur Tür.
»Nein, er war sich nicht sicher. Außerdem war er sauer auf mich und hat es mir eben erst gesagt. Mein Gott, als ob das jetzt die Gelegenheit wäre, irgendwelche persönlichen Fehden auszutragen. Ich möchte Agnes helfen, ich fühle mich selbst nicht ganz unschuldig an der Situation.«
»Hat sie irgendeinen Hinweis hinterlassen, wo sie steckt? Gab es Hintergrundgeräusche? Irgendeinen Punkt, an dem wir ansetzen können?«, bohrte Pia nach.
Verena spielte nervös an ihrer Armbanduhr herum.
»Sieht nicht so aus. Sie dürfen von Klaus nicht erwarten, dass er irgendeine detektivische Ader hat.«
»Schade eigentlich. Wie wäre es, wenn Sie unten auf michwarten, während ich mich anziehe. Ich bin in ein paar Minuten fertig.«
Pia stieg über die Klamotten hinweg ins kleine Badezimmer, um zu duschen. Der Gedanke an Agnes ließ sie den Geschwindigkeitsrekord vom gestrigen Abend noch einmal unterbieten. Als sie pflichtbewusst ihre Dienstwaffe im Schulterhalfter unter einer gesteppten schwarzen Weste verschwinden ließ, lächelte sie in sich hinein. Die Handschellen am Gürtel wurden so ebenfalls verdeckt und niemand konnte ihr Unvorsichtigkeit vorwerfen.
Sie fand Verena im Hotelfoyer wieder, wo sie gerade im Schatten einer Zimmerlinde telefonierte. Als sie Pia die Treppe herunterkommen sah, beendete sie das Gespräch.
»Ich hab schnell im Stall Bescheid gesagt, dass ich heute nicht kommen kann«, erklärte sie ungefragt.
»Hätten Sie heute arbeiten sollen?«
»Nicht direkt, ich sehe nur sonntagvormittags immer ganz gern noch mal nach den Pferden«, antwortete sie. Und nach einer kleinen Pause: »Die Tiere sind halt mein Leben. Aber heute würde ich gern dabei sein, wenn Sie Agnes suchen. Ich kann Ihnen bestimmt irgendwie helfen.«
Pia sah sie skeptisch an. Die Wendung um 180 Grad, von Ablehnung zu Hilfsbereitschaft, war ihr nicht ganz geheuer. Es war aber nicht von der Hand zu weisen, dass Verena überaus nützlich sein würde bei der Suche nach Agnes Kontos.
»Ich schlage vor, wir reden beim Frühstück miteinander. Vielleicht fällt Ihnen dann ein, wo sich Agnes aufhalten könnte. Kommen Sie, das Frühstück hier ist gar nicht mal so schlecht.«
Als sie an einem Tisch in einer ruhigen Ecke des Frühstücksraumes saßen, fragte Pia: »Wie klang Agnes am Telefon? Verängstigt, trotzig, so als würde sie zum Telefonieren gezwungen?«
»Klaus hat gesagt, sie klang ängstlich. Aber nicht so, als würde einer hinter ihr stehen.«
»Angenommen, sie ist freiwillig gegangen. Aus irgendeinem Grund hat sie es für nötig befunden, Grevendorf zu verlassen. Welche Möglichkeiten hätte sie?«
»Ohne ein Auto und ohne viel Geld?« Verena zuckte mit den Achseln. »Sieht schwierig aus, wenn ihr keiner geholfen hat. Vielleicht eine Jugendherberge ...«
»Leute, die sich verstecken, suchen sich normalerweise Orte aus, die sie von irgendwoher kennen, von denen sie aber glauben, kein anderer würde die Verbindung herstellen. Es könnte ein Ort sein, wo sie mal auf Klassenfahrt war, wo sie während einer längeren Autofahrt gerastet hat oder wo sie jemanden kennt, der aber ihrem normalen Umfeld unbekannt ist. In diesem Fall können wir wohl davon ausgehen, dass Agnes nicht so viel Geld bei sich hatte, um sehr weit weg zu kommen oder in einem Hotel zu wohnen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie einen Helfer hat«, überlegte Pia laut.
Sie ging ein Risiko ein, wenn sie so offen mit Verena sprach. Andererseits musste sie eine Basis schaffen, die Verena dazu veranlasste, sich ihr ebenfalls anzuvertrauen.
»Wie wäre es mit einem Mann?«, fragte Verena. »Einen Typen, den sie irgendwo kennen gelernt hat und der ihr das Blaue vom Himmel versprochen hat. So etwas liest man doch hin und wieder: junge Mädchen, die auf Zuhälter hereinfallen und anschließend auf den Strich geschickt werden.«
»Halten Sie das für wahrscheinlich?«, blockte Pia ab. »Der Zeitpunkt ihres Verschwindens und dieses verdammte Fahrrad sprechen dagegen. Sie muss von irgendetwas oder irgendjemandem überrascht worden sein. Auch ihre Kontaktaufnahme über das Telefon deutet auf ein freiwilliges Verschwinden hin.«
Pia schenkte sich
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