Kalymnos – Insel deines Schicksals
beträchtliche Mitgift in die Ehe hätte einbringen können."
Er klang fast unbeteiligt, als spräche er über eine Fremde. Und doch spürte Julie, wie sehr ihn der Tod seiner Verlobten getroffen haben musste. Aber anders als früher hatte sie jetzt das Gefühl, dass seine Trauer eher dem Schicksal des jungen Mädchens als seiner Verlobten galt. Denn Liebe schien nicht im Spiel gewesen zu sein - schließlich war es nicht ihre Entscheidung gewesen zu heiraten.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand wie du sich etwas vorschreiben lässt.
Und schon gar nicht in einer Angelegenheit von dieser Tragweite."
Julie erschrak über ihre erneute Taktlosigkeit mehr als Doneus.
„Ich war noch jung damals", erklärte er, ohne dass seine Stimme irgendeine Emotion verriet. „Außerdem darfst du nicht vergessen, was ich dir darüber erzählt habe, welchen Stellenwert für uns die Familie hat. Und die höchste Autorität innerhalb einer Familie sind nun mal die Eltern. Undenkbar, dass ein Kind es wagt, sich gegen eine ihrer Entscheidungen aufzulehnen. Eigene Entscheidungen trifft man erst dann, wenn man das Elternhaus verlassen hat."
Er lächelte sanft und blickte Julie vielsagend an. „Heute würde es allerdings tatsächlich niemand wagen, mir Anweisungen zu geben - nicht einmal in weniger wichtigen Dingen als der Wahl der Ehefrau."
Schon wieder drückt er sich so rätselhaft aus, ging es Julie durch den Kopf. Außerdem wollte sein Tonfall so gar nicht zu einem einfachen Schwammtaucher passen, der während der Fahrt zu den Fanggründen den Anweisungen des Kapitäns selbstverständlich Folge leisten musste. Wenn sie bloß wüsste, welches Geheimnis sich hinter seinen Worten verbarg!
Doneus hatte sich zurückgelehnt und betrachtete den verwilderten Obstgarten, der einen beträchtlichen Teil des Grundstückes einnahm. Und obwohl seit Jahren niemand die Bäume und Sträucher beschnitten oder sonst wie gepflegt hatte, quollen sie vor reifen Früchten nur so über: Bananen und Granatäpfel, Orangen und Zitronen, Feigen und Oliven - man musste nur die Hand ausstrecken!
Im Grunde genommen war es hier geradezu paradiesisch schön. Wenn bloß nicht alles so verwahrlost ... Julie beschloss, einen letzten Versuch zu wagen, Doneus umzustimmen.
Sie erreichte jedoch nur, dass sein Gesicht sich verfinsterte. „Ich habe Nein gesagt, und dabei bleibt es."
Unvermittelt ärgerte Julie sich darüber, dass ein schlichter Bauernsohn es wagte, ihr, Julie Veitrovers, Spross eines alten englischen Adelsgeschlechts, Vorschriften zu machen. Und doch blieb ihr nichts anderes übrig, als sich dem Willen ihres Ehemannes zu beugen, jedenfalls für den Moment. Dabei hatte sie bei alledem doch weniger an sich selbst als vor allem an ihn gedacht.
„Ich würde mir wünschen, dass du meine Entscheidung nicht nur respektierst, sondern nach Möglichkeit auch Verständnis für meine Gründe aufbringst. Und vor allem wünsche ich mir, dass du mir nicht böse bist."
Doneus' sonore Stimme klang ernst, und doch meinte Julie, einen Anflug von Besorgnis oder gar Angst ausmachen zu können. Wie gebannt blickte sie in das Gesicht des Mannes, der ihr nur wenige Zentimeter entfernt gegenübersaß. Bedeutete ihm ihr Verständnis wirklich so viel?
„Nein, Doneus, ich bin dir nicht böse", erwiderte sie endlich. Und erst jetzt, da sie es laut gesagt hatte, merkte sie, dass sie ihm tatsächlich nicht böse war. Wenn sie ehrlich war, musste sie sogar zugeben, dass ihr seine Beharrlichkeit viel lieber war, als wenn er sich hätte erweichen lassen. Denn das wäre nicht nur ein Zeichen dafür gewesen, dass sein Stolz nicht so groß war, wie er behauptete, und sein Nachgeben hätte zugleich eine Schwäche offenbart, die sie eher enttäuscht als befriedigt hätte.
Sie fragte weder nach den Gründen für ihren plötzlichen Sinneswandel, noch kam ihr in den Sinn, ihre Gefühle für ihren Ehemann zu überprüfen. Sie blieb dabei, nichts weiter als aufrichtiges Mitleid mit ihm zu empfinden. Es waren ja erst wenige Stunden vergangen, dass sie zu dieser Überzeugung gelangt war. Und damit gab Julie sich zufrieden - vorerst zumindest.
6. KAPITEL
Im Lauf der Zeit lernte Julie auch die Bewohner des Dorfes, das ganz in der Nähe lag, besser kennen - und diese sie. Denn zunächst hatten sie Julie nicht nur schief, sondern fast ein wenig schadenfroh angesehen, so als wüssten sie etwas über Julie, was nicht einmal sie selbst wusste.
Aber je öfter sie auf ihren
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