Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann denn Fado fade sein?

Kann denn Fado fade sein?

Titel: Kann denn Fado fade sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Zacker
Vom Netzwerk:
paar Orangen, die hat nämlich einen kleinen Garten vor der Stadt. In der pastelaria hat sie extra ein paar Kleinigkeiten eingekauft. Den Kaffee trinken wir eh da, und sie lässt es sich nicht nehmen, uns auf eine bica einzuladen.
    António schreibt seiner Mutter unsere neue Telefonnummer auf. In überdeutlich großen und klaren Ziffern. Ich verstehe nicht, warum er ihr die Zahlenfolge immer und immer wieder erklärt, warum er genau nachfragt, wo er den Zettel hinlegen soll, damit sie ihn keinesfalls verliert. Damit sie weiß, wessen Nummer das ist. Warum schreibt er nicht einfach unseren Namen und unsere Adresse dazu?
    Sie ist doch geistig völlig fit, oder? Ist sie auch. Aber: »Sie kann nicht lesen und schreiben«, sagt er. »Zahlen sind kein Problem. Aber weil sie unseren Namen und unsere Adresse nicht lesen kann, müssen wir uns anders behelfen.«
    Ich bin fassungslos. Ich weiß wohl, dass es in Portugal und selbst in Deutschland viele Analphabeten gibt. Aber kennengelernt habe ich noch niemanden, der weder lesen noch schreiben kann. Wie kommt man im Alltagsleben zurecht?
    »Beim Unterschreiben ist es leicht«, erklärt mir António. »Da reicht ein Fingerabdruck, das ist üblich. Denn es gibt gerade auf dem Land sehr viele ältere Leute, die nicht lesen und schreiben können.«
    »Ja, aber warum? Es gibt doch überall Schulen? Auch früher schon?«
    »Früher eben nicht«, sagt António. »Für die einfache Bevölkerung waren maximal vier Jahre Grundschule vorgesehen. Salazar war der Überzeugung: Das Volk muss dumm gehalten werden, sonst kommt es auf unsinnige Ideen, lässt sich vielleicht von den ›Roten‹, den Kommunisten, verführen. Deshalb waren nach der Revolution, also vor nicht mal vierzig Jahren, mehr als ein Drittel aller Portugiesen Analphabeten.«
    Kein Wunder, denke ich, dass Portugal als das »Armenhaus« der EU galt. Vielleicht auch ein Grund, warum es heute wieder in der Krise steckt.
    Kleine Notiz am Rande:
    Meine Freundin Katharina im Alentejo behilft sich bei ihren Nachbarn, von denen ebenfalls so mancher nicht einmal die vier Jahre Grundschule absolviert hat, auf ganz besondere Art und Weise. Ihre Nachbarin und Putzhilfe Augusta war zum Beispiel telefonisch nicht erreichbar. Katharina fuhr an deren Haus vorbei, um Bescheid zu sagen. Leider ebenfalls vergeblich: Niemand war zu Hause. Sie musste ihren »Putztermin« aber absagen. Und sie wollte natürlich nicht, dass Augusta umsonst zu Fuß den langen Weg zurücklegte. Was also tun?
    Katharina hatte eine geniale Idee: Sie zeichnete einen Putzeimer mit Besen und strich das Ganze durch. Sah aus wie ein echtes Piktogramm, sehr professionell. Und es klappte! Dona Augusta wusste Bescheid und kam nicht vergeblich zu ihrer Putzstelle.
    Auf den Straßen im kleinen Coruche ist bereits kurz nach unserem Mittagessen die Hölle los. Keine Siesta, keine Ruhepause.
    Da gibt es die alten Männer, in Schwarz gekleidet, die auf dem einen oder anderen Mäuerchen sitzen und alles ganz genau beobachten. Und kommentieren. Selbst die alten Damen lassen es sich heute nicht nehmen, in der Nachmittagshitze unterwegs zu sein. Viele haben einen Fächer dabei; die eine oder andere schützt sich mit einem schwarzen Regenschirm vor den sengenden Sonnenstrahlen.
    Dona Deolinda allerdings verweigert sich: »Ich habe so oft Angst ausgestanden um meinen António«, meint sie. »In die Arena gehe ich sicher nicht mit. Schaut ihr beide lieber nachher noch mal bei mir vorbei!«
    Die jungen Mädchen haben sich schick gemacht, schließlich ist heute ein freier Tag, und man muss weder in die Schule noch zur Arbeit gehen. Die Jungs führen ihre neuesten Sonnenbrillen vor, cool müssen sie aussehen, ständig Eindruck machen auf die Mädels. Der Höhepunkt kommt erst noch: wenn sie beweisen müssen (und wollen), wie viel Mut sie wirklich haben.
    Heute ist nicht nur festlicher Trubel angesagt. Es gibt nicht nur Musik und Tanz, Flirt und Liebelei. Heute ist corrida !
    Neben dem Markt parken Autos wild durcheinander. Alle Stellplätze sind bereits belegt, und die Hauptstraße ist gesperrt. Nicht nur ist die Durchfahrt für Fahrzeuge verboten, sondern sie ist sogar mit einer Art Bauzaun abgeriegelt. Lediglich über einige Seitenstraßen hat man direkten Zugang, aber auch da sorgen Holztore dafür, dass kein Unbefugter auf die Straße geht. Nach und nach wird es voll. Alt und Jung sammelt sich an beiden Seiten des Zauns. Alle sind gespannt, aufgeregt. Voller Erwartung.
    »Wieso ist das

Weitere Kostenlose Bücher