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Kann denn Fado fade sein?

Kann denn Fado fade sein?

Titel: Kann denn Fado fade sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Zacker
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schon seit Langem bei mir lebt, bleibt ein gewisses Misstrauen: Er nimmt zum Beispiel nie ein Leckerli aus meiner Hand, ohne es vorher genau zu beriechen – könnte ja sein, dass ich ihn reinlege.
    Nach der ersten Woche in der quinta ist er immerhin so weit, dass er sich freut, wenn wir im großen Garten spazieren gehen. Wie ein kleiner Ziegenbock hopst er – mit allen vieren gleichzeitig in der Luft – durchs hohe Gras. Aber: Er kann nicht spielen, versteckt sich immer wieder unterm Strauch, kennt weder Ball- noch Zerrspiele. Selbst ganz normales Gras betrachtet er anfangs mit Misstrauen.
    Stubenrein? Keine Spur. Immerhin ist er so rücksichtsvoll, wenn er sein Geschäft erledigen geht, dies auf der Nachbarterrasse (das ist die mit den schönen azulejos ) zu tun. Ob er das für edle WC-Keramik hält?
    In den Garten geht er die ersten drei Wochen freiwillig nie. Nicht mal zum Pinkeln. Das geht auf dem Teppich im Haus viel besser, da rutscht man nämlich nicht wie auf der gefliesten Terrasse aus, wenn man versucht, das Bein zu heben …
    Dona Isabelas Katzen trifft Giò gleich am ersten Tag. Da zeigt er dann doch Interesse, verliert seine Schüchternheit und traut sich neugierig unterm Strauch hervor, obwohl ihn beide – Katze Boneca und Kater Oscar – zunächst mit Missachtung strafen. Boneca stolziert arrogant direkt vor seiner Nase zum Fressnapf, der neben unserem Kücheneingang steht. Frisst seelenruhig und wendet ihm dabei den Rücken zu. Selbst wenn Giò meint, er müsse zeigen, dass er knurren kann, oder wenn er ein leicht verunglücktes fiependes Bellen versucht: Das interessiert Boneca nicht.
    Oscar hingegen – ich sage nur: Kerle! – bekommt einen Flaschenbürstenschwanz und faucht. Verspeist aber seinen Mittags- bacalhau dennoch sehr zufrieden in Giòs Sichtweite und schert sich ebenfalls wenig um den neuen Hausgenossen. Zumindest solange er ihm nicht unvermutet begegnet. Bis heute, Jahre später, hat Giò Kater Oscar übrigens nicht vergessen: Wenn ich ihn auffordere » busca Oscar! – such Oscar!«, rast er laut bellend los und schaut nach oben Richtung Dach. Denn genau da sitzt Oscar in der quinta nämlich immer, grinst sozusagen hinunter auf den Hund und weiß: Hier bin ich sicher!
    Warum ich mit Giò Portugiesisch spreche? Ganz einfach: Demnächst wird der Kleine in die Schule gehen. Und nachdem wir in Portugal leben, wird es eine portugiesische Hundeschule sein.
    Es ist ein langer Kampf, bis Hund und Frauchen endlich zueinanderfinden. Ich habe das Glück, in der Hundeschule nicht nur einen hervorragenden Lehrer für Tier und Mensch zu finden, sondern auch an einem Seminar mit der bekannten norwegischen Hundetrainerin Turid Rugaas teilzunehmen. Eine wirklich beeindruckende Frau. Sie erzählt uns, wie Hunde »ticken«; dass wir auf die kleinen Signale der Körpersprache achten sollen, dass wir mit denselben Signalen auch mit unseren Tieren kommunizieren können und nicht zu viel verlangen sollen. Und sie weist uns auf ein Wort hin, das ich eigentlich dank meiner Portugalerfahrungen schon lange kennen müsste: »Haben Sie Geduld!« Auf Portugiesisch heißt das paciência , und es ist die Basis des gesamten portugiesischen Alltagslebens: Paciência braucht man, wenn man an der Fisch- oder Fleischtheke und an der Supermarktkasse wartet, wenn man mit dem Auto im Stau steht, wenn man – wieder einmal – auf irgendeiner Behörde um Dokumente nachsuchen muss.
    Paciência ist nicht nur Geduld, sondern eben auch Gelassenheit. Das Leben mit all seinen Facetten und Rückschlägen nicht aufgeregt zu meistern versuchen, sondern gelassen zu bleiben. Auf Neudeutsch: relaxed.
    » É a vida – so ist das Leben eben«, sagen die Portugiesen, ein wenig schicksalsergeben. Wenn es heute nicht geht, dann geht es eben morgen. Wenn man es nicht auf dem üblichen Weg schafft, sucht man sich einen unüblichen. Ohne Hektik, ohne Stress.
    Genauso muss ich es machen, um bei Giò weiterzukommen. Ich kann nichts erzwingen, ich muss berücksichtigen, dass er einerseits einen unbändigen Freiheitsdrang hat, andererseits aber genau weiß, wo er hingehört. Gemeinsam schaffen wir es.
    Nach etwa einem Jahr ist Giò überhaupt nicht mehr scheu oder schüchtern. Er verteidigt mich – mit gefährlichem Knurren und hochgesträubtem Rückenhaar –, wenn ein Fremder das Grundstück betritt. Er gewöhnt sich aber rasch daran, dass Fremde zu Freunden werden – und dann begrüßt er sie freudig. Vor allem, wenn sie zum Grillen

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