Kapitaen Bykow
schwieg. Sein Gesicht war düster und verbissen geworden.
»Wir werden äußerst vorsichtig sein«, erklärte Jurkowski. »Wir werden in zwölf, dreizehn Kilometern Höhe über der mittleren Ebene fliegen, nicht tiefer. Ich mache einige Großaufnahmen, ein paar visuelle Beobachtungen, und nach zwei Stunden kehren wir zurück.«
»Aljoscha«, sagte Michail Antonowitsch schüchtern. »Verirrte Brocken sind über dem Ring doch sehr selten. Und so schrecklich sind sie auch nicht. Ein bisschen Aufmerksamkeit ...«
Bykow blickte schweigend Jurkowski an. Was soll ich denn mit ihm machen, dachte er. Was soll man mit diesem alten Verrückten machen? Michail ist herzkrank. Es ist sein letzter Flug. Seine Reaktionen sind langsamer geworden, und die Kosmoskaphen haben Handsteuerung. Ich kann keinen steuern. Und Shilin auch nicht. Aber einen jungen Piloten darf ich mit ihm nicht fliegen lassen. Die beiden würden einander überreden, in den Ring einzutauchen. Warum habe ich keine Kosmoskaphen fliegen gelernt, ich alter Trottel?
»Aljoscha«, sagte Jurkowski. »Ich bitte dich sehr. Ich werde ja sicherlich die Saturnringe nie wieder zu Gesicht bekommen. Ich bin alt, Aljoscha.«
Bykow stand auf und verließ wortlos die Messe, ohne jemanden anzuschauen.
Jurkowski schlug die Hände vors Gesicht. »Ach, was für ein Jammer!«, sagte er ärgerlich. »Warum hab ich nur so einen widerwärtigen Ruf? Warum, Mischa?«
»Du bist sehr unvorsichtig, Wolodja. Wirklich, du bist selber schuld.«
»Und wozu soll man vorsichtig sein? Sag doch bitte, wozu? Um seinen völligen geistigen und körperlichen Verfall zu erleben? So lange warten, bis einem das Leben zuwider wird, und vor Langeweile im Bett sterben? Es ist doch letzten Endes lächerlich, Michail, so um das eigene Leben zu zittern.«
Michail Antonowitsch wiegte den Kopf. »Ach du, Wolodja«, sagte er leise. »dass du das nicht begreifen kannst, mein Lieber, du selber stirbst einfach, und basta. Aber du lässt ja Menschen zurück, Freunde. Weißt du, wie bitter es für sie sein wird? Aber du denkst nur an dich, Wolodja, immer nur an dich.«
»Ach, Mischa«, erwiderte Jurkowski. »Ich mag mich nicht mit dir streiten. Sag mir lieber, wird Alexej einverstanden sein oder nicht?«
»Ja, er ist doch schon einverstanden, glaube ich. Siehst du das denn nicht? Ich kenne ihn doch, fünfzehn Jahre auf demselben Schiff.«
Jurkowski begann wieder auf und ab zu gehen. »Aber du wenigstens, Michail, willst doch fliegen, oder nicht?«, schrie er. »Oder bist du auch nur ... ›einverstanden‹?«
»Ich will sehr gern«, sagte Michail Antonowitsch und wurde rot. »Zum Abschied.«
Jura packte seinen Koffer. Damit hatte er immer Schwierigkeiten, und jetzt tat er das noch in Eile, damit niemand merkte, wie ungern er die Tachmasib verließ. Iwan stand daneben, und es war so traurig, daran zu denken, dass Jura sich nun von ihm verabschieden musste und sie einander nie wiedersehen würden. Jura stopfte in den Koffer aufs Geratewohl Wäsche, Hefte mit seinen Konspekten, Bücher – darunter den »Weg der Wege«, von dem Bykow gesagt hatte: »Wenn dir dieses Buch zu gefallen beginnt, kannst du dich als erwachsen betrachten.« Iwan pfiff vor sich hin und betrachtete Jura mit fröhlichen Augen. Schließlich machte Jura den Koffer zu, blickte sich betrübt in der Kajüte um und sagte: »Das war’s wohl.«
»Gut, wenn es das war, gehen wir uns verabschieden«, sagte Shilin.
Er nahm Juras schwerelosen Koffer, und sie gingen den Ringkorridor entlang, vorbei an einem Paar in der Luft schwebenden Zehn-Kilo-Hanteln, vorbei am Duschraum, vorbei an der Küche, aus der es nach Haferbrei roch, in die Schiffsmesse. Dort war nur Jurkowski. Er saß am leeren Tisch, die Hände auf dem kahl werdenden Kopf, und vor ihm lag, auf dem Tisch festgeklemmt, ein einsames weißes Blatt Papier.
»Wladimir Sergejewitsch«, sagte Jura.
Jurkowski blickte auf. »Ach, der Kadett.« Er lächelte traurig. »Nun denn, verabschieden wir uns.«
Sie drückten einander die Hand.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte Jura.
»Na, na«, erwiderte Jurkowski. »Was denn, Bruder, also wirklich. Du weißt doch, ich wollte dich nicht mitnehmen. Das war dumm. Was soll ich dir zum Abschied wünschen? Arbeite möglichst viel, Jura. Mit den Händen, mit dem Kopf. Vergiss vor allem nicht, mit dem Kopf zu arbeiten. Und denk dran, richtige Menschen sind die, die sich viel Gedanken über vieles machen. Lass das Gehirn nicht einrosten.« Er sah Jura
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