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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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drehte sich um Roger.
    »Das hier ist eine Freundin von mir, Matya Balatu«, sagte Roger zu der versammelten Gesellschaft. Der Augenblick, in dem er hätte erklären können, woher er sie kannte, verstrich, ohne dass diese Erklärung gegeben worden wäre, und Roger nahm genauestens zur Kenntnis, wie er verstrich: Ha ha, dachte er. Er merkte, wie seine männlichen Kollegen sich selbst ganz neu inszenierten und vom Modus »Wir witzeln mit anderen Männern herum« umschalteten zum Modus »Eine unbekannte attraktive Frau ist anwesend, die man möglicherweise beeindrucken kann«.
    »Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt«, begann Lothar. Matya, die sittsam die Augen niedergeschlagen hatte und ihn nicht direkt anschaute, sagte: »Ich bin sicher, das haben wir nicht.«
    Gutes Mädchen, dachte Roger. Im gleichen Moment gingen die Ehefrauen zum Gegenangriff über.
    »Geht es Arabella gut?«, fragte Carmen, die mit Peter von der Rechtsabteilung verheiratet war. Sie war eine pummelige Frau Mitte vierzig, und Roger hatte noch nie jemanden kennengelernt, zu dem der Name Carmen weniger gepasst hätte. Obwohl, um fair zu sein, ihr Ehemann war wesentlich dicker als sie. Sie hasste Arabella. Diese Situation war ein gefundenes Fressen für sie: Die Gegenwart eines hübschen Mädchens an Rogers Seite gab ihr Gelegenheit, gehässig zu werden. Arabella war vielleicht krank, oder womöglich hatte Roger sie verlassen; sie konnte also boshafte Dinge zu ihm sagen und sich gleichzeitig an Arabellas Unglück weiden.
    »Es geht ihr blendend«, sagte Roger. Er spürte instinktiv, dass es besser war, keine Entschuldigungen oder Erklärungen zu liefern, seien es auch noch so triumphale Erklärungen: »Arabella musste zu einer Ordensverleihung«, oder »Sie musste zu Hause bleiben, um die Leute von Schöner Wohnen herumzuführen«. Nein, das wäre ein taktischer Fehler gewesen, denn es hätte impliziert, dass eine Erklärung überhaupt nötig war. Viel besser war es, in die Offensive zu gehen. Er fragte:
    »Wie geht es Heathcote?«
    Das war Carmens und Peters Sohn, der dafür berüchtigt war, andauernd in Schwierigkeiten zu geraten. Letzte Woche war er vom Rugbyteam suspendiert worden, weil er den Penis seines Schulleiters auf eBay zum Verkauf gestellt hatte. Er hatte dem Angebot auch ein Foto beigefügt und den »Sofort-Kaufen«-Preis auf 50 Pence festgesetzt. Roger wusste von der Geschichte, weil Peter sie einem Kollegen erzählt hatte. Dieser Kollege hatte sofort sein Wort gebrochen, niemandem davon zu erzählen, und Roger dasGanze brühwarm aufgetischt. Carmen musste davon ausgehen, dass Roger nichts von der Geschichte wusste, und es sich hier demnach um eine ehrlich gemeinte, freundliche Nachfrage handelte, die man dann in gutem Glauben beantworten musste. Gleichzeitig war es aber auch nicht vollkommen von der Hand zu weisen, dass er sich gerade genüsslich in einer exquisit berechneten Bosheit erging. Im Film Conan wird der von Arnold Schwarzenegger gespielte Held einmal gefragt, was für ihn im Leben das größte Glück wäre, und seine Antwort lautet: »Die eigenen Feinde zu vernichten, zu sehen, wie man sie wie Schafe vor sich hertreibt, und dem Klagegesang ihrer Frauen zu lauschen.« Das war Rogers Lieblingssatz in der gesamten Filmgeschichte.
    »Es geht ihm gut«, sagte sie, während ihr Blick seitwärts zu ihrem Mann huschte. Eine Kellnerin kam mit einer Flasche Taittinger, und sie ließen sich alle ihre Gläser auffüllen. Dann erklang ein Gong, und jemand rief: »Verehrte Damen und Herren, es ist angerichtet.«
    Nach dem Hauptgericht wurden ein paar Dinge versteigert. Einer der Preise hätte eigentlich von Freddy Kamo überreicht werden sollen, dem afrikanischen Fußballspieler, der in der Pepys Road wohnte. Die Organisation, um die es dabei ging, hatte, wie sich herausstellte, mit Afrika zu tun und mit sauberem Trinkwasser in den Dörfern. Freddys Club hatte in letzter Zeit ziemlich viel Ärger mit der Boulevardpresse gehabt, die einige der Spieler wegen ihres Sexuallebens aufs Korn genommen hatte. Als Teil der PR-Gegenoffensive waren die Spieler dazu ermutigt worden, sich an irgendwelchen symbolträchtigen Wohltätigkeitsveranstaltungen zu beteiligen. Roger hatte sich sehr drauf gefreut, diesen afrikanischen Jungen einmal zu Gesicht zu bekommen – wegen seiner Arbeitszeiten war er ihm auf der Straße bisher noch nie begegnet. Aber Freddy hatte sich vor ein paar Tagen verletzt, und deshalb wurde sein Preis von einem

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