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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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wegen des unbeständigen Wetters immer um die Tennisplätze herum, auf denen heute natürlich kein einziger Kurschatten sein unsportliches Wesen trieb. Ein kalter Wind vom nahen Gebirge her blies uns ins Gesicht. Ich erzählte Papa von meinem Dasein als Hausmädchen und Kinderfrau, und dass ich eigentlich nur ätzende Typen kennengelernt hätte, außer natürlich der göttlichen Marie.
    »Ein rassiges Weib, fürwahr«, antwortete Papa und schritt freudig aus. »Was führt sie denn für eine Ehe?«
    »Eine überflüssige«, sagte ich.
    Papa blieb stehen und ich musste einige Meter zurücklaufen, um wieder auf seiner Höhe zu sein. »Na ja«, sagte ich entschuldigend. »Sie ist nie zu Hause und kann sich nicht um ihr Kind kümmern, und um ihren Mann kümmert sie sich auch irgendwie nur sporadisch.«
    Papa musterte mich erschüttert. »Du meinst, sie vernachlässigt ihre Pflichten als Frau und Mutter?«
    »Papa«, sagte ich, »sie macht Karriere. Das willst du doch von mir auch, oder nicht?«
    Papa schüttelte entrüstet das Haupt. »Eine Frau ist an erster Stelle für die Rolle der Mutter und Ehefrau geschaffen«, stellte er klar. »Wenn dann noch Platz ist, kann sie Karriere machen. So sehe ich das!« Damit schritt er wieder entrüstet aus. Ich hoppelte hinter ihm her.
    »Klara Schumann, die hatte sechs Kinder und war eine weltberühmte Pianistin«, sagte ich.
    »Weiß ich«, schnaubte Papa. »Die solltest du dir zum Vorbild nehmen, nicht diese Marie!«
    »Aber sie hatte was mit Schumann und mit Brahms.«
    »Überflüssig.«
    »Aber Papa, eben warst du doch noch so begeistert von Marie!«
    »Nicht, wenn sie wegen ihrer Karriere ihren Mann und ihr Kind vernachlässigt! Das gilt auch für dich, Karla! Steig lieber aus dem Geschäft aus und komm zurück nach Bad Orks. Hier kannst du ein solides geregeltes Leben führen und kommst nicht auf moralische Abwege. Glaub mir, Karla: Die Großstadt ist nichts für dich!«
    »Ist sie doch«, begehrte ich auf. Es wird Zeit, dass ich allen zeige, wie falsch sie mich einschätzen!
    »Und einen Mann kannst du immer und überall kennenlernen. Zum Beispiel dieser Johannes. Der ist ein ganz grundsolider Junge mit einem geregelten Lebenswandel. Der hat schon zweimal nach dir gefragt.«
    »Den finde ich ätzend«, sagte ich. Dann erzählte ich Papa von Matthäus, um ihn ein bisschen anzustacheln. Papa war nicht erfreut und fand meine detaillierten Schilderungen überflüssig.
    Bei unserer elften oder zwölften Tennisplatzumrandung erzählte ich Papa dann von Willem. Nur mal so als Beispiel dafür, dass es durchaus den einen oder anderen Mann gibt, über den es sich nachzudenken lohnt. Ich vergaß wahrscheinlich zu erwähnen, dass Willem Maries Ehemann ist, denn Papa war sichtlich erfreut über meinen Bekannten und sein gutes und stabiles Auskommen und auch über seinen gediegenen Charakter und sein gepflegtes Äußeres. Ich muss wohl ein bisschen ins Schwärmen gekommen sein, jedenfalls schlug Papa mir vor, doch Willem zu heiraten!
    »Aber Willem ist doch verheiratet, mit Marie, Papa«, sagte ich.
    »Was?«, zürnte Papa, als wenn ich selbst diese Ehe verschuldet hätte, und darauf fand er meine gesamte Schilderung der letzten sechs Tennisplatzumrundungen überflüssig. Missmutig kehrten wir nach Hause zurück. Wenigstens wisse er nun, sagte Papa sauer, warum ich auf dem besten Wege sei, magersüchtig zu werden. Weil ich den Ehemann meiner Freundin liebe, wo es denn so was gäbe, das seien ja übelste Verhältnisse.
    Mama hatte inzwischen die Inspektion der gefegten Garagenzufahrten beendet und die Kaffeemaschine angeworfen. Wie immer gab es selbst gekauften Pflaumenkuchen mit wieder hervorzubringenden Kernen, den ich verschmähte. Darüber geriet Mama nun in große Missstimmung. »Hast du dem Kind klar gemacht, dass man an Magersucht sterben kann?«, fragte sie ihren Gatten gereizt. Papa versicherte, er habe es mir soeben nicht nur klar gemacht, sondern auch schon die psychologisch nur schwer zu durchdringenden Hintergründe meiner Krankheit aufgedeckt. Klar. Papa hat eine große Menschenkenntnis. Er konnte Mama in wenigen klar gegliederten und doch leicht zu begreifenden Sätzen darlegen, dass ich erstens unglücklich in einen verheirateten Mann verliebt sei, zweitens dem Werben eines soliden und ledigen Mannes nicht gewachsen sei, der mit dem ersten leider nicht identisch sei, und drittens eine berufliche Krise durchlebe, da ich einsehen müsse, dass man als Frau nicht gleichzeitig

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