Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
nicht so viel abgewinnen konnte wie das männliche Publikum. Sie wollte Amadeo nicht enttäuschen.
»Jetzt kommen Carlos Nereiden.«
Auf der dunklen Bühne gab es Bewegung. Sie hörte, wie Kulissen beiseitegeschoben und neue herangerollt wurden. Als die Kerzen wieder entzündet waren, hatte sich das Aussehen der Bühne komplett verändert. Anstelle der Bäume wogten Wellen wild durcheinander, ein gemalter Nereus hob in einer Ecke sein Haupt aus dem Meer und schwang den Dreizack. Die erste Nereide sprang auf die Bühne. Sie tanzte zwischen den Wellen umher, und wenn es möglich war, noch weniger bekleidet zu sein als zuvor die Waldnymphen, dann war sie es.
Ihre Schwestern gesellten sich zu ihr. Giuliana wurde es müde, den gut gebauten Mädchen bei ihren neckischen Spielen zuzusehen. Verstohlen schaute sie sich im Raum um. Der späte Besucher war ihr wieder eingefallen, und sie versuchte, herauszufinden, wer es war. Dabei musste sie feststellen, dass längst nicht alle Zuschauer dem Spiel die volle Aufmerksamkeit zollten. In einer Ecke saß unter einem Kandelaber eine Gruppe von drei Männern und flüsterte miteinander. Einer trug das Gewand eines Geistlichen. Ob der späte Besucher unter ihnen zu finden war – der Geistliche etwa?
Neben diesen dreien saß Pietro Zianello, im grauen Gewand eines Kaufmannes zwar, aber es war unverkennbar Zianello, und zu seiner Rechten ein Mann, der wie sein Diener aussah. Beide schauten finster drein. Giuliana zuckte innerlich zusammen. Geistliche hatte sie in diesem Theater nicht erwartet, und dass Pietro Zianello hier war, erschreckte sie regelrecht. Dieser Mann schien heute alles daran zu setzen, ihren Abend zu vergiften. Schnell wollte sie den Blick wieder abwenden, denn der Mann, vor dem Amadeo sie so eindringlich gewarnt hatte, sollte sie hier nicht sehen. Aber es war zu spät – Pietro Zianellos Augen blieben auf ihr haften. Sie konnte ihren Ausdruck nicht deuten, doch als ein sardonisches Lächeln über sein Gesicht glitt, wusste sie, dass er sie erkannt hatte. Er nickte ihr sogar leicht zu. Hitze stieg in ihre Wangen. Er konnte nicht wissen, dass sie eine Frau war, trotzdem machte sie sich klein zwischen Carlo und Amadeo. Bestimmt hatte er auch erkannt, in wessen Begleitung sie sich befand. Sie schaute wieder zur Bühne.
Dort hatten sich wieder die Wichte zu den Nereiden gesellt. Die kleinen Männer waren diesmal als Delfine verkleidet, sie trugen Fischmasken auf dem Kopf und Flossen an den Händen, die Beinkleider lagen eng an, und bei einigen zeigten sie überdeutlich, welche Freuden sie Frauen zu bieten hatten. Mit schwimmenden Bewegungen umtanzten sie die Nereiden, sprangen in die Wellen. Das Spiel wurde schneller und hitziger, bald war nicht mehr zu unterscheiden, wem der Kopf gehörte, der einer Nereustochter zwischen den Beinen steckte, und ob die Flossen auf ihren Brüsten demselben oder einem anderen Delfin gehörten.
Die Atmosphäre lud sich erotisch auf und schlug die Zuschauer in ihren Bann. Amadeos Freunde hatten sich nach vorn gebeugt, und die Brüder sahen aus, als wollten sie sich am liebsten mitten in das Getümmel stürzen.
Giuliana war angetan von der Darbietung, es war aufregender, als sie erwartet hatte, aber das Wissen um Pietro Zianellos Anwesenheit verhinderte ihre vollständige Hingabe an das Schauspiel. Sie fragte sich, ob Amadeo den Mann ebenfalls bemerkt hatte. Er gab es durch nichts zu erkennen, sondern trank Wein, aß scharfe Kuchen und scherzte mit seinen Freunden. Er schien gar nicht zu bemerken, dass Giuliana neben ihm immer stiller wurde. Auf einmal drehte er sich zu ihr um.
»Gefällt es dir, mein lieber Giulio?«
Sie wollte ja sagen, aber sie ahnte, dass sie es diesmal nicht überzeugend rausbringen würde, deshalb zögerte sie.
»Ich sehe schon, es gefällt dir nicht.« Seine Stimme klang verärgert. »Was hast du dir vorgestellt?«
Sie war Giulio und sollte als solcher antworten, aber sie konnte es nicht – in ihrem Herzen war sie eben doch Giuliana. »Nicht dass es so sein wird. Dass man – dass sich – man sich irgendjemand aus der Menge herausgreift und der Frau einen Speer zwischen die Beine rammt. Da muss es doch etwas anderes geben.« Sie verstummte, wusste nicht, wie sie Amadeo erklären sollte, was sie fühlte.
»Das ist Begehren, und das will ein Mann befriedigen.« Er neigte sich näher zu ihr. »Du denkst doch nicht etwa an Liebe, wie sie von Poeten besungen wird? Glaubst du etwa, darum geht es zwischen uns?
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