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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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stürze zur Küchentür und öffne sie. Ithal steht im strömenden Regen auf der Schwelle.
    »Ithal ! Wo sind Sie gewesen?« Er blickt grimmig drein. »Was ist los?«
    »Es geht um Kartik. Sie haben ihn geholt. Sie müssen ihn retten.«
    »Wer hat ihn geholt?«
    »Für Erklärungen ist jetzt keine Zeit. Kommen Sie.«
    Ich denke an Felicity und Ann im Magischen Reich. »Ich muss …«
    Er reicht mir einen Streifen durchnässten Stoff von Kartiks Mantel. Das Wappen der Rakschana wurde darin eingebrannt. Fowlson.
    »Bringen Sie mich hin«, sage ich, denn wenn ich zu Kartik gelange, kann er mir mit meinen Freundinnen helfen.
    Ich folge Ithal durch den Regen zu der Stelle, wo Freya wartet. Meine Beine sind schwach und ich stolpere ein- oder zweimal. Ithals Augen sind so tief umschattet, dass sie wie leere Höhlen aussehen.
    »Wo sind Sie gewesen?«, frage ich noch einmal. »Mutter Elena war schrecklich besorgt.«
    »Die Männer waren hinter mir her.«
    »Millers Männer? Sie müssen Inspektor Kent informieren ! Er wird das nicht auf sich beruhen lassen«, sage ich, während ich mir selbst auf Freyas Rücken helfe.
    »Später. Wir müssen jetzt zu ihm.«
    Er schwingt sich hinter mich aufs Pferd und ich fühle seine Kälte in meinem Rücken. Ein kleiner Tritt in die Flanken der Stute und wir sind unterwegs. Der Regen peitscht meine Wangen und durchnässt mein Haar, während wir in den Wald galoppieren, um dann beim Weiher links abzubiegen. Die Stute scheut plötzlich. Sie wiehert laut, tänzelt am Rand des Wassers, wittert etwas.
    »Freya, kele!«, befiehlt Ithal. Die Stute weigert sich weiterzugehen. Stattdessen schlägt sie mit dem rechten Huf auf den Boden und schnuppert am Rand des Wassers, als suche sie nach etwas, das sie verloren hat.
    Ein scharfer Ruck an den Zügeln, Freya dreht ab und fällt in Trab, bis sie in vollem Galopp auf der Straße dahinfliegt und mein Herz im Rhythmus ihrer Hufe schlägt. Ich fühle den Atem der Nacht an meinem Hals. Nur einzelne Blitze erhellen den vor uns liegenden Weg.
    Beim Friedhof biegen wir ab. Der Himmel ist eine zornig pochende Wunde. Freya sucht sich im Zickzack ihren Weg zwischen den Gräbern. Ihre Hufe sinken im Schlamm ein und sie schleudert mich gefährlich nahe gegen den Rand eines Grabsteins. Ich schreie auf und klammere mich an ihre Mähne, als Ithal die Zügel strafft und das Pferd auf den Feldweg lenkt, wo es eine vorsichtigere Gangart einschlägt.
    »Wohin reiten wir?«, rufe ich.
    Das Unwetter entlädt sich noch heftiger. Es macht mich blind und ich muss den Kopf einziehen, um meine Augen vor der Wasserflut zu schützen. Ithal antwortet, aber ich kann seine Antwort durch den strömenden Regen nicht hören.
    »Was haben Sie gesagt?«, frage ich.
    Es klingt wie ein Summen oder wie Beten. Nein, er singt. Worte fliegen wie windgepeitschte Regentropfen vorbei und erfüllen mich mit kaltem Grauen.
    »Ein Opfer, ein Opfer, ein Opfer …«
    Das Stück Stoff in meiner Hand verwandelt sich in Schlangen. Ich schreie und die Schlangen zerfallen zu Asche. Genau vor uns liegen zwei aufgeworfene Erdhügel zu beiden Seiten eines offenen Grabes. Ithal lenkt Freya direkt darauf zu und treibt sie zu immer größerer Geschwindigkeit an. Ich stoße ihm meine Ellbogen in die Rippen, aber er hält nicht an. Mit aller Kraft schwinge ich mich vom Rücken des Pferdes. Ich lande hart auf der nassen Erde, gerade als Freya aufschreit und ins offene Grab stürzt. Ich höre nicht, wie sie unten aufschlägt.
    Ich rapple mich auf die Füße und spüre jeden meiner Muskeln. Meine Beine tragen mich zwar, aber sie schmerzen und meine Schulter und mein linker Arm sind eingeschlafen. Zitternd schaue ich nach dem Loch, aber der Grabhügel ist so kompakt, wie er nur sein kann.
    Ich würge ein schluchzendes Lachen hinunter und zwinge mich, in meinem Bett aufzuwachen, aber es geschieht nicht. »Du wirst bald aufwachen, Gemma«, sage ich mir, während ich über den dunklen Friedhof humple. »Sing einfach irgendetwas, um dich abzulenken. Sah ein Knab ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden, war so jung und morgenschön …«
    Ich werfe einen Blick auf einen Grabstein. Meine liebe Gattin. » Röslein auf der..«
    Donner grollt. Meine Zähne klappern. »… auf der Heiden..«
    Etwas versperrt mir den Weg. Ein Blitz zerreißt den Himmel und beleuchtet Ithal. An der Stelle seiner Augen sind zwei tiefe schwarze Löcher.
    »Opfer …«, sagt er.
    Ich kann mich nicht rühren, kann nicht denken. Meine Beine sind

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