Kartiks Schicksal
erweist ihnen ihre Gunst durch eine weihevolle Geste und sie weinen vor Glück über diese Segnung. Pippa lächelt uns unter Tränen an, ein Bild der Unschuld.
»Es sollte so sein. Es war alles vorherbestimmt! Deshalb konnte ich nicht ans jenseitige Ufer übersetzen«, sagt sie. »Wie ließe es sich sonst erklären, dass die Magie in mir gewachsen ist?«
»Pippa«, beginne ich, spreche aber nicht weiter. Denn was ist, wenn sie am Ende recht hat?
»Du hattest einen Anfall«, sagt Felicity kopfschüttelnd.
»Es war eine Vision, wie die von Gemma!«, schreit Pippa.
Felicity gibt Pippa eine Ohrfeige und Pippa fährt zu ihr herum wie ein gehörntes wildes Tier. »Das wird dir leidtun.«
Die Fabrikmädchen stürzen sich auf Felicity, Ann und mich, drehen uns die Arme auf den Rücken und zwingen uns schließlich in die Knie. Ich könnte die Magie herbeirufen. Ich könnte. Ich versuche es und sehe Circe in meinem Kopf und dann ringe ich nach Luft, entsetzt und benebelt.
»Das habe ich gespürt, Gemma!«, ruft Pippa. »Versuch’s nicht noch einmal.«
»Ungläubige.« Bessie spuckt aus und die Spucke landet als ein hässlicher Klecks auf Felicitys Wange.
Sie zerren uns grob nach draußen und Pippa entlädt ihre Wut durch einen neuerlichen Ring aus Feuer. Meine Augen brennen und tränen von der Hitze.
Wenn Pippa sich zur Königin gekrönt hat, dann hat Bessie sich mit Sicherheit zu ihrer Stellvertreterin ernannt. »Mistress Pippa, wir tun alles, was Sie von uns verlangen. Ein Wort genügt und es ist getan.«
»Mein ganzes Leben wurde ich herumkommandiert. Jetzt gebe ich die Befehle.«
Ich habe Felicity noch nie so verletzt gesehen. »Nicht von mir«, sagt sie. »Ich hab dich nie herumkommandiert.«
»Oh, Fee.« Für einen Moment kommt die alte Pippa wieder zum Vorschein, hoffnungsvoll und kindlich. Sie zieht Felicity an sich. Irgendetwas, was ich nicht benennen kann, geht zwischen ihnen vor und dann verschmelzen Felicitys und Pippas Lippen in einem leidenschaftlichen Kuss, als ernährten sie sich voneinander, die Finger zärtlich ins Haar der anderen geflochten. Und plötzlich ist mir klar, was ich schon immer gewusst haben muss – die vertrauten Gespräche, die engen Umarmungen, die Innigkeit ihrer Freundschaft. Bei dem Gedanken steigt mir eine heiße Röte ins Gesicht. Wie kann es sein, dass ich es nicht schon früher begriffen habe?
Mit glühenden Wangen reißt Felicity sich los, aber die wilde Leidenschaft des Kusses dauert an. Pippa packt ihren Arm. »Warum gehst du jedes Mal wieder? Immer verlässt du mich.«
»Nein, das tu ich nicht«, sagt Felicity. Ihre Stimme ist rau vom Rauch.
»Verstehst du nicht? Hier sind wir frei, hier können wir tun, was wir möchten.«
Felicitys Lippen zittern. »Aber ich kann nicht bleiben.«
»Doch, du kannst. Du weißt, wie.«
Felicity schüttelt den Kopf. »Ich kann nicht. Nicht so.«
Pippa spricht mit leiser, eindringlicher Stimme. »Du hast gesagt, du liebst mich. Warum willst du die Beeren nicht essen und bei mir bleiben?«
»Ich will ja«, flüstert Felicity. »Aber …«
»Aber was?«, fragt Pippa. »Warum sagst du es nicht?«
»Ich … es ist nur …«, beginnt Felicity. Ihre Stimme versagt ihr den Dienst.
Pippa lässt Felicitys Arm los. Ihre Augen füllen sich mit zornigen Tränen. »Es ist Zeit, eine Wahl zu treffen, Fee. Entweder bist du für mich oder gegen mich.«
Pippa öffnet ihre Hand. Die Beeren liegen einladend darin, prall und reif. Ich kann kaum atmen. Felicitys Gesicht verrät ihre Qual – ihre Gefühle und ihre Vernunft kämpfen einen erbitterten Kampf. Lange starrt sie auf die Beeren, ohne sie anzunehmen oder abzulehnen, und langsam erkenne ich, dass das Schweigen ihre Antwort ist. Sie will nicht von einer Falle in eine andere tappen.
Pippas Augen schwimmen in Tränen. Sie schließt ihre Hand um die Beeren und drückt so fest zu, dass der blauschwarze Saft über ihre Knöchel und auf den Boden rinnt, und mir graut davor, was sie uns jetzt antun wird.
»Lass sie gehen. Wir brauchen keine Ungläubigen unter uns«, sagt sie schließlich. Sie zerteilt für uns die Flammen. »Geht schon. Verschwindet.«
Der einzige Weg hinaus führt durch das Feuer und es gibt keine Garantie, dass sie uns nicht zu Asche verbrennen wird, während wir hindurchschreiten. Mit Todesangst führe ich Felicity und Ann durch die schmale Passage in den Flammen.
Pippa singt laut, aus voller Kehle: »Oh, ich habe einen Liebsten, der ist so treu wie Gold …«
Einstmals
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