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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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ist nur … äh … wir berichten da drüber. Fürs Fernsehen. Privatfernsehen», versuche ich zu retten.
    Gelis halb verblüfftes, halb gleichgültiges «Aha» verrät mir, dass das für sie vermutlich ein großräumig umsehenes Gebiet ist. Wahrscheinlich Oberstudienrätin. Glücklicherweise nimmt mein Kölner Sender in ihrem Wahrnehmungsraum nicht den üblichen Beschützer-Rächer-Freund-und-Helfer-Platz ein. Sonst müssten wir jetzt wohl erst den Dieb fangen, dann die Polizei zurechtstutzen und, wenn wir schon mal da sind, auch noch im Bandolero wegen der halb voll servierten Weingläser vorbeischauen. Geli belässt es bei weiteren Reisetipps.
    «Wenn ihr noch Zeit hond, dann messet ihr unbedingt no ä Küschtetour macha. Des isch fei au was für die junge Leud, do steppt der Bär.»
    Oh nein. Ich habe es ja schon befürchtet, als die den Avatar-Clown eben «affengeil» genannt hat. Nach dem steppenden Bär bin ich mir sicher: Sie leidet an jener zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr weitverbreiteten Persönlichkeitsstörung, die ich postklimakterische Altersangst nenne. Symptome können die plötzliche Anmeldung in sieben Sportkursen, das Tragen von Converse-Schuhen oder eben wie bei Geli Wortschatzverschiebungen sein, die der Außenwelt alle die gleiche Botschaft vermitteln sollen: «Ich bin jung.» Würde sie so direkt wahrscheinlich nicht sagen, aber flippige Sprüche wie «Ich mag vielleicht Orangenhaut haben, aber im Kopf bin ich noch spritzig wie eine Zitrone» oder «Für mich gibt’s Alt nur in Düsseldorf und auf der Tastatur» kann ich mir aus ihrem Mund gut vorstellen. Nur gerade mit der Jugendsprache ist das so eine Sache. Wenn man auf einmal wieder jung spielen möchte, aber kein Update auf das aktuelle Vokabular besitzt, wirkt das meistens wenig affengeil, sondern ziemlich peinlich.
    «Mir waret in so nem kloine Ort, do denksch erschd, die klappe nachts de Gehweg nuff, aber do war morz Feetz.»
    Feetz! Das steht bei der Gesellschaft für Deutsche Sprache wohl längst auf der Liste ausgestorbener Wörter.
    «Do kannsch so am Strand lang laufe, und da isch dann au hier und dort ä Tschiringgito …»
    Ich überlege kurz, aus welcher Zeit das Wort wohl stammt oder ob sie es mit Tohuwabohu verwechselt. Aber es scheint zur Unkenntlichkeit verschwäbeltes Spanisch zu sein. Jedenfalls ergänzt sie:
    «… woisch, diese urigen Läden, viesavie vom Strand. Do isch echt Halligalli.»
    Lass einfach laufen. Was rausmuss, muss raus.
    «Do isch au als fette Strandparty – so richtig zum Abdancen. Do trinke se dann au alle son flippiga Kalimotscho. Bin i ja net so dr Fan vo, i mag lieber ä schönes Viertele und ab und zu mal en loggerflokiga Campari – do bin i ganz old school.»
    Ich überlege, ob es eine Marktlücke ist, alten Leuten in der Volkshochschule Kurse in Jugendsprache anzubieten. Aber da wird einem Langenscheidt mit dem Wörterbuch «cooles Deutsch – nicht mehr cooles Deutsch/nicht mehr cooles Deutsch – cooles Deutsch» zuvorkommen. Weil Wörterbücher ja nur noch von Prominenten herausgeben werden, vermutlich mit Konrad Adenauer und Jimi Blue Ochsenknecht auf dem Cover. Mir reicht’s.
    «Ja, luftiger Fliegenfurz. Das klingt ja nach körker Schallschicht. Müssen wir unbe mal rüberflunzen und die feepen Tschiringgitos runtertanzen.»
    «Aber runtertanzen 3000!», ergänzt Lenny.
    Geli schaut wie eine Sprachschülerin, die bei «Chapter 4 Listening Comprehension» kein Wort vom Dialog auf der Hör-CD verstanden hat, das aber vor der Klasse nicht sagen will.
    «Jaja, die Tschiringgitos.»
    Ich merke, wie sie ihr inneres Vokabelheft vollschreibt, und freue mich. Mit meinen gezielten Fehlinformationen führt der nächste Schwatz mit der Jugend hoffentlich zur Erkenntnis, dass sich Windows 8 beim besten Willen nicht auf einer Schreibmaschine installieren lässt.

    Ein Blick auf die Wanduhr lässt mich langsam nervös werden. Mittlerweile sitzen wir seit über einer Stunde auf der zentralsten Polizeidienststelle Barcelonas, und die haben uns noch nicht einen Drogensünder präsentiert.
    Überhaupt stressen mich Uhren in letzter Zeit häufig. Die sind aber auch so stur wie Leichtathletiktrainer in der DDR. Da bittest du nur um eine kleine Pause oder wenigstens ein etwas gemächlicheres Tempo, und die marschieren rücksichtslos weiter vorneweg. Und wieso? Kriegen wir eine Goldmedaille, wenn wir als erster Planet über die 5-Milliarden-Jahre-Linie kommen? Und dafür dopen wir bis runter zu den

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