Kein Entkommen
der Detective es nicht bemerkte. Ich befürchtete, dass er meine Nervosität als Schuldeingeständnis werten würde.
Aber wer wäre nicht komplett durch den Wind gewesen angesichts der Tatsache, vielleicht gleich der Leiche seiner Frau gegenüberzustehen?
»Hier in der Nähe gibt’s ein paar Hütten«, bemerkte Duckworth. »Einem der Eigentümer ist die frisch umgegrabene Erde aufgefallen, und er hat umgehend die Polizei informiert.«
»Wie lange ist das her?«
»Etwa zwei Stunden«, erwiderte Duckworth. »Die hiesigen Cops haben den Tatort abgeriegelt und sich dann mit uns in Verbindung gesetzt. Wir hatten sie wegen des Verschwindens Ihrer Frau ohnehin in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.«
»Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass zwischen Jan und mir nichts vorgefallen ist, als wir hier oben waren«, sagte ich.
»Ausgesprochen deutlich sogar.« Er öffnete seine Tür und warf mir einen Blick zu. »Bleiben Sie ruhig sitzen, wenn Sie wollen.«
»Nein«, sagte ich. »Ich muss wissen, ob es Jan ist.«
»Ja, natürlich«, erwiderte er. »Ich wollte Ihnen nicht das Gefühl geben, Sie wären hier unerwünscht.«
Arschloch.
Wir stiegen aus. Der Kies knirschte unter unseren Schuhen, als wir die Straße entlanggingen. Ein uniformierter Polizist kam uns entgegen.
»Sie sind Detective Duckworth?«, fragte er.
Duckworth nickte und streckte die Hand aus. »Danke für die schnelle Benachrichtigung«, sagte er. Der Cop musterte mich, doch noch bevor ich mich vorstellen konnte, ergriff Duckworth das Wort. »Das ist Mr Harwood, der Ehemann der Verschwundenen.« Die beiden wechselten einen vielsagenden Blick. Ich fragte mich, was Duckworth ihm bereits über mich erzählt hatte.
»Mr Harwood«, sagte er. »Officer Daltrey. Ich bedaure, Sie unter solchen Umständen kennenlernen zu müssen. Sie machen sich sicher große Sorgen.«
»Ist es meine Frau?«, fragte ich.
»Die Leiche ist noch nicht identifiziert.«
»Aber es handelt sich um eine Frau?«, hakte ich nach.
Daltrey sah Duckworth an, als warte er auf die Genehmigung, sich äußern zu dürfen. Als Duckworth schwieg, sagte er: »Ja, es ist eine Frau.«
»Ich muss sie sehen.«
Duckworth berührte mich am Arm. »Ich halte das für keine so gute Idee.«
»Wo ist das Grab?«, fragte ich.
Daltrey deutete hinter sich. »Da drüben, wo die Wagen stehen. Wir haben die Leiche noch nicht bewegt.«
Duckworths Hand schloss sich um meinen Oberarm. »Ich sehe mir das mal an. Sie bleiben solange hier bei Daltrey.«
»Nein«, platzte ich heraus. Mein Atem kam stoßweise. »Ich muss …«
»Sie warten hier. Ich gebe Ihnen Bescheid, falls ich Sie benötigen sollte.«
Ich sah ihm in die Augen, doch gelang es mir nicht, auch nur das Mindeste aus seinem Blick herauszulesen. Er zeigte weder Mitgefühl, noch ließ er durchblicken, ob er mich irgendwie auszutricksen versuchte.
»Okay«, sagte ich.
Als Duckworth sich auf den Weg zum Tatort machte, trat Daltrey vor mich, als wolle er mich daran hindern, ihm doch noch zu folgen. »Sieht nach Regen aus«, sagte er.
Schweigend kehrte ich zu Duckworths Wagen zurück und wartete. Ich war nervös wie nie zuvor in meinem Leben. Alle paar Sekunden sah ich zu den unweit hinter Daltrey postierten Streifenwagen hinüber.
Fünf Minuten später tauchte Duckworth wieder auf und winkte. Ich lief zu ihm.
»Sie können mir bei der Identifizierung helfen«, sagte er. »Falls es nicht zu viel für Sie ist.«
Meine Knie wurden weich wie Gummi. »O Gott«, sagte ich.
Er ergriff mich am Arm. »Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um Ihre Frau handelt, Mr Harwood. Aber Sie sollten auf alles gefasst sein.«
»Sie ist es nicht«, gab ich zurück. »Niemals. Was hätte sie denn hier oben …«
»Kommen Sie«, sagte er.
Er führte mich zwischen zwei Streifenwagen durch, die den Tatort abschirmten. Dahinter befand sich ein frisch aufgeworfener, niedriger Erdhügel, über dem eine fahle, schmutzverschmierte Hand aufragte. Der Rest des Leichnams lag hinter dem Erdhügel.
Ich blieb abrupt stehen.
»Mr Harwood?«, sagte Duckworth.
Ich rang nach Luft. »Schon okay«, sagte ich.
»Hören Sie«, sagte er. »Sie … Sie dürfen die Leiche unter keinen Umständen berühren. Manche Menschen lassen sich von ihrem Schmerz derart überwältigen, dass …«
»Schon verstanden«, erwiderte ich.
Er ging vor mir her. Als wir nah genug herangekommen waren, um hinter den Erdhügel sehen zu können, hielt er mich mit ausgestrecktem Arm auf.
»Da
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