Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Martha entrüstet auf die taubengrauen Mädchen einredet und dabei auf Sam deutet, mit einem Ausdruck der Empörung im Gesicht.
»Was ist los?« Sam legt die Stirn in Falten. »Sie hat doch nicht etwa versucht, Ihnen den teureren Ring zu verkaufen, oder? Dann sollte ich mal ein Wörtchen mit Mark sprechen …«
»Nein! Nichts dergleichen.« Ich zögere, schäme mich fast, es ihm zu erzählen.
»Was dann?« Sam mustert mich.
»Sie dachte, wir wären verlobt, und Sie würden mich zwingen, meinen eigenen Verlobungsring selbst zu bezahlen«, räume ich schließlich ein. »Sie hat mir geraten, Sie nicht zu heiraten. Sie macht sich große Sorgen um mich.«
Ich werde nicht auf Marthas Theorie eingehen, die einen direkten Zusammenhang herstellt zwischen der Großzügigkeit beim Juwelier und der Großzügigkeit im Bett. 54
Ich sehe, wie Sam langsam ein Licht aufgeht.
»Das ist witzig.« Er lacht laut auf. »Das ist sehr witzig. Hey.« Er zögert. »Sie wollten doch nicht, dass ich ihn bezahle, oder?«
»Nein, natürlich nicht!«, sage ich grimmig. »Seien Sie nicht albern. Ich habe nur ein schlechtes Gewissen, weil der ganze Laden Sie jetzt für einen Geizkragen hält, obwohl Sie mir eigentlich einen Riesengefallen tun. Es tut mir wirklich leid.« Ich verziehe das Gesicht.
Sam macht einen verdutzten Eindruck. »Ist das nicht egal? Es ist mir völlig wurst, was die von mir denken.«
»Es muss Ihnen doch irgendwas ausmachen.«
»Kein bisschen.«
Ich sehe ihn mir genauer an. Sein Gesicht ist ganz entspannt. Ich glaube, er meint es wirklich so. Es ist ihm egal. Wie kann es einem egal sein?
Magnus wäre es nicht egal. Er flirtet ständig mit Verkäuferinnen und versucht herauszufinden, ob sie ihn aus dem Fernsehen kennen. Und als einmal seine Karte bei unserem Supermarkt um die Ecke nicht angenommen wurde, ging er am nächsten Tag noch einmal hin und erklärte denen, dass seine Bank Scheiße gebaut habe.
Na gut. Jetzt fühle ich mich nicht mehr ganz so schlecht.
»Ich will mir mal eben was bei Starbucks holen.« Sam macht sich auf den Weg die Straße hinunter. »Sie auch?«
»Ich mach das!« Ich haste ihm hinterher. »Ich bin Ihnen was schuldig. Aber echt.«
Ich muss erst nach der Mittagspause wieder in der Praxis sein, weil ich Annalise überredet habe, mit mir zu tauschen. Ich musste sie direkt bestechen.
»Erinnern Sie sich, dass ich von einem Mann namens Sir Nicholas Murray gesprochen habe?«, sagt Sam, als er die Tür zum Coffeeshop aufdrückt. »Er will mir ein Dokument schicken. Ich habe ihm gesagt, er soll es an meine eigene Mail-Adresse schicken, falls es allerdings rein zufällig aus Versehen bei Ihnen landen sollte, geben Sie mir bitte sofort Bescheid.«
»Okay. Er ist ziemlich berühmt, oder?«, kann ich mir nicht verkneifen. »Stand er 1985 nicht auf Platz 18 der Liste der weltweit einflussreichsten Macher?«
Ich habe gestern Abend ein bisschen gegoogelt und bin voll auf dem Laufenden, was Sams Firma angeht. Ich weiß alles. Ich könnte bei Mastermind mitmachen. Ich könnte eine PowerPoint-Präsentation machen. Ich wünschte direkt, jemand würde mich dazu auffordern! Fakten, die ich über White Globe Consulting gesammelt habe, in ungeordneter Reihenfolge:
Die Firma wurde 1982 von Nicholas Murray gegründet und dann von irgendeiner großen, multinationalen Gruppe gekauft.
Sir Nicholas ist immer noch der Hauptgeschäftsführer. Offenbar kann er die Stimmung in einem Meeting durch seine bloße Anwesenheit verbessern und einen Deal mit einem einzigen Kopfschütteln verhindern. Er trägt immer geblümte Hemden. Das ist so eine Macke von ihm.
Der Leiter der Finanzabteilung war ein Protegé von Sir Nicholas, hat die Firma aber kürzlich verlassen. Er heißt Ed Exton. 55
Die Freundschaft zwischen Ed und Sir Nicholas ist im Laufe der Jahre kaputtgegangen, und Ed hat nicht mal an der Feier teilgenommen, als man Sir Nicholas zum Ritter schlug. 56
Vor Kurzem hatten sie mit diesem Skandal zu kämpfen, als ein gewisser John Gregson bei einem Lunch einen anstößigen Witz riss und daraufhin zurücktreten musste. 57 Manche Leute fanden das unfair, doch offensichtlich vertritt der neue Vorstandsvorsitzende »eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber unangemessenem Verhalten«. 58
Momentan berät Sir Nicholas den Premierminister in einem neuen Ausschuss zum Thema »Glück und Wohlergehen«, worüber sich sämtliche Zeitungen mokieren. Eine schrieb sogar, Sir Nicholas habe seine große Zeit hinter sich, und brachte
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