Kein Schlaf für Commissario Luciani
stellte sich die Frage, wie und wo sie an einem einzigen Wochenende das ganze Geld hatte ausgeben können.
Diesmal putzte Giampieri seine Brille besonders sorgfältig, und er strich sich länger als gewöhnlich über den Bart. |131| »Wir fragen die Eltern und die Freundinnen, ob sie wissen, wo das Geld geblieben ist. Falls Barbara die Summe nicht aufgebraucht hat, hätte sie am Montagmorgen noch in ihrem Portemonnaie sein müssen, und das heißt, dass der Mörder sie genommen hat, auch wenn das für mich ein ziemlich ungewöhnlicher Raubmord wäre. Oder das Geld ist im Krankenhaus entwendet worden, was wiederum gar nicht ungewöhnlich wäre.«
»Und wenn es irgendwie mit der Kreuzfahrt zusammenhängt?«, fragte Vitone.
»Aber die hatten sie doch gewonnen.«
»Vielleicht musste sie noch irgendwelche Extras bezahlen. Damit kriegen sie dich normalerweise dran. Ich frage mal ihren Freund.«
»Okay.«
Vitone ging los, um die verschiedenen Hypothesen zu überprüfen, und Giampieri versuchte noch eine Weile, in die digitalen Geheimkammern des Giulio Mantero vorzudringen. Er hatte eine Liste mit acht weiblichen Hundenamen vorbereitet, und als Hotmail ihm wieder die Gretchenfrage, »Wie hieß die Hündin von Großmutter Erminia?«, stellte, probierte er Lella, Kika, Giugi und Pisola aus. Nichts zu machen. Dann zündete eine am Morgen geschaffene Synapse, und er tippte: »Bessie«. Wieder nichts. Wer weiß, ob die teure Alte noch unter uns weilt, diese Kröte, die ihre Hunde Quatzalcoatl oder Koyaanisqatsi tauft. Vielleicht ist sie hundertfünf, lebt in irgendeiner Seniorenpension, kann sich aber immer noch an den Namen ihrer geliebten Hündin erinnern. Ich schicke die Boemi los, als Krankenschwester verkleidet, und dann lege ich sie aufs Kreuz. Und selbst wenn es danebenging, dachte er lächelnd, allein der Anblick der Boemi im Schwesternkittel würde den Versuch lohnen. Er ließ Iannece die Personalien |132| überprüfen, aber es gab keine behördlich registrierte Erminia Mantero, auch keine Erminia Valenti.
»Wie ist das möglich, Iannece?«
»Was, Herr Ingenieur?«
Er erklärte dem Beamten die Situation und las ihm die Frage vor.
»Oh, mich dürfen Sie das nicht fragen. Ich habe nicht einmal eine Meile. Und die Parole könnte ich mir auch nicht merken.«
»Dazu ist ja die Sicherheitsfrage da.«
»Die würde ich auch vergessen. Wissen Sie, was ich schreiben würde? Ich würde schreiben: ›Welche Farbe hatte Garibaldis Schimmel?‹«
Giampieri betrachtete ihn. Klar musste man erst jahrelang büffeln und sich durch Examina kämpfen, damit man Mechanismen verkomplizieren konnte, die ein Neandertaler wie Iannece im Nu durchschaute!
Es war sein letzter Versuch. Er gab »Erminia« ein, und der E-Mail-Account öffnete sich wie Ali Babas Höhle. Aber das Lächeln des Vizekommissars erstarb sofort, als er die Benutzeroberfläche sah. Posteingang: 0. Gesendete Mails: 0. Junk-Mail: 2, eine Werbung für Viagra und das Angebot eines afrikanischen Prinzen, sein Vermögen von vierzig Millionen Dollar zu verwalten.
»Der Schweinepriester hat alles gelöscht. Entweder ist er sehr ordentlich, oder er hat etwas zu verbergen.«
Er versuchte noch einmal, in die Webseite des Brokers einzudringen. Doch er schaffte es einfach nicht, die äußerst wirkungsvollen Schutzbarrieren zu überwinden, und gab schließlich auf, weil er fürchtete, zurückverfolgt und enttarnt zu werden. Okay, da zirkulierte eine Menge Geld, aber er fand, dass die Geheimhaltungsstufe ein bisschen hoch war für die Informationen, die diese Seiten enthalten konnten. Auch das warf ein verdächtiges Licht auf Mantero.
|133| Er kam mit ein paar Alubehältern aus dem China-Imbiss nach Hause, schaltete den Fernseher ein und wählte einen Lokalsender, dann warf er den DVD-Rekorder an. Die Live-Übertragung von der Solidaritätskundgebung für Mantero wollte er sich nicht entgehen lassen, auch weil die Handbücher der Kriminologie lehren, dass der Mörder in solchen Situationen oft versucht ist, teilzunehmen, um in gewisser Weise die Ermittler herauszufordern. Die Demonstration begann mit einem Hochamt in der Kathedrale, zelebriert vom Bischof höchstpersönlich, dann bildeten die Gläubigen ein Spalier für den Prälaten, der sich mit einem Rattenschwanz an Priestern und mit Fackeln bewaffneten Ministranten an die Spitze des Zugs setzte. Er schwenkte ein silbernes Kruzifix, von dem das Weihwasser spritzte.
Als eine auf einem Balkon platzierte Kamera den
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