Kein Sex ist auch keine Loesung
«Meine Freundin ist eine Außerirdische» |219| wird unterhaltungstechnisch weit übertroffen von dem Bild, das sich mir nun bietet.
«Mutter!!!»
Es kann sich nur um eine Stress-Erscheinung handeln. Vermutlich ist doch alles etwas viel gewesen in den letzten Wochen. Die
Präsentation, Elisas Einzug, der Weihnachtshype und so weiter, schließlich ist man ja keine 25 mehr.
Ich schließe meine Augen, denke an die Biene Maja und was mir sonst spontan Harmloses einfällt, und will gerade ansetzen,
über den Irrtum meines Lebens zu lachen, als Luke wie ein kalter Fiat Panda losstottert.
«Tom, also ich, ähm, hatte ja schon ein paarmal versucht mit dir zu reden, weil ich dir diesen Schreck ersparen wollte, aber
irgendwie ergab sich nie der richtige Zeitpunkt …»
Ich reiße die Augen wieder auf. Seit mir in der fünften Klasse ein Mitschüler in den Schulranzen gepinkelt hat, ist mir nichts
derart Widerliches passiert. Mein bester Freund vögelt meine Mutter!
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Oder besser nicht. Außerdem kommt es ja noch schlimmer. Sie steht nämlich
nackt vor mir – nein, nicht nackt, das wäre ja noch gegangen. Sie steht in Unterwäsche vor mir! Und zwar in genau derselben,
die ich letztes Jahr zu Weihnachten verschenkt habe. An Lola, die geile Strapsmaus.
Wie demütigend. So etwas gehört sich einfach nicht für eine Mutter. Zumindest nicht für
meine
Mutter. Und Luke, dieses Schwein! Wo haben die sich denn bitte schön kennengelernt? Doch nicht etwa auf meinem Geburtstag?
O Gott, ich darf gar nicht daran denken: Wenn Luke mit seinem Hang zu Prahlereien damit hausieren geht, dass |220| meine Mutter in Reizwäsche durch sein Loft stöhnt, ist mein Ruf mit Sicherheit ruiniert.
Der Typ, der mal mein bester Freund war, setzt erneut zu einer Erklärung an.
«Ich wollte es dir wirklich längst sagen, aber es ergab sich irgendwie keine Gelegenheit. Und zurückgerufen hast du ja auch
nie. Und Tessa meinte auch, dass …»
Tessa??? Unglaublich, er spricht immerhin von meiner Mutter! Aber ich erfahre nicht mehr, was Tessa gemeint haben könnte,
denn in diesem Moment reißt mir der Geduldsfaden.
Augenzeugenberichten zufolge bin ich angeblich erst mit dem Sixpack auf Luke losgegangen, ehe ich ihm den albernen Schurz
von den Hüften gerissen habe, um den Fetzen meiner Mutter zum Einwickeln in die Arme zu drücken. Böse Zungen behaupten außerdem,
ich hätte die Würstchendose an die Wand gepfeffert, getobt und gewütet – eine Gefühlsregung, die mir im Nachhinein unangemessen
milde scheint.
Da sich die beiden aber offenbar gegen mich verschworen hatten, muss ich irgendwann wutschnaubend abgedampft sein, nicht ohne
noch im Treppenhaus wüste Beschimpfungen gegen Mütter im Allgemeinen und beste Freunde im Besonderen rauszuposaunen.
Meine Erinnerung liefert erst ab dem Moment wieder verlässliche Daten, als ich zu Hause in meiner Küche einen doppelten Cognac
von Elisa eingeflößt bekomme.
Angeblich ein altes Hausrezept ihrer Großmutter und gut gegen vorzeitigen Herzinfarkt.
Elisa entlockt mir die Geschichte schneller, als jemand |221| «Tom, du arme Sau» sagen kann, zeigt sich allerdings völlig unbeeindruckt.
«Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst», unternimmt sie wenigstens anstandshalber den Versuch, mich zu beschwichtigen,
bleibt dabei aber in sicherer Entfernung stehen.
In mir brodelt es. Ich denke, man wird mir zustimmen, dass sie mir eine Erklärung für das Verhalten ihrer Geschlechtsgenossin
schuldet.
«Ach, Tom, sei doch froh, dass deine Mutter so jung und modern ist. Darf sie etwa keinen Spaß haben, nur weil sie eine Mutter
ist?»
Ich stürze wütend auf sie zu, entreiße ihr die Cognacflasche und kippe den Rest in meinen schwellenden Hals.
«Nein, weil sie
meine
Mutter ist. Da kann ich doch wohl erwarten, dass sie sich wie eine reife, erwachsene Dame benimmt und nicht wie ein Teenager
aus einem David-Hamilton-Softporno.»
Erst jetzt bemerke ich, dass Elisa gerade dabei war, eines ihrer berühmten Abendessen vorzubereiten, als ich reinplatzte.
Dazu humpelt sie unentwegt auf den Fersen durch die Küche, da ihre Fußnägel noch frisch lackiert und ihre Zehen durch kleine
dicke Wattebäusche voneinander getrennt sind. In der gesamten Wohnung riecht es nach Zwiebeln und Farbe. Hier ist die Welt
noch in Ordnung.
Jedenfalls fast. Denn Elisa, die nun ebenfalls langsam in Rage gerät, schnippelt
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