Kein Tod wie der andere
hatte. Nein, das alles konnte für sie höchstens unangenehm werden, sehr unangenehm sogar, aber nicht wirklich existenziell.
Es gab nur zwei Unsicherheitsfaktoren: die Bonitzer und Mario, wenn der die Nerven verlor. Bei der Geliebten von Altmüller war er sich immer noch nicht sicher, was der ihr erzählt haben könnte, was sie vielleicht wusste, was nicht in den Unterlagen stand und Altmüller bereits mit ins Grab genommen hatte. Die Frau von Altmüller hatte auch mehr gewusst, als er vorher gedacht hatte. Er musste vorsichtiger sein, aber das Heft des Handelns weiter in der Hand halten, musste die Kontrolle behalten, sich Sicherheit verschaffen, die Unwägbarkeiten ausschalten. Heute würde er sich wieder auf der Arbeit blicken lassen, aber morgen müsste er die weiteren Schritte gut planen.
40
Trier; Samstag, 18. Juni
In der Nacht war der Regen über den Westen Deutschlands gekommen. Als Buhle am Vormittag von seiner Wohnung in der Südstadt zeitig in die neue Zentrale Kriminalinspektion am Bahnhof fahren wollte, war er bereits so in Gedanken, dass er unvermittelt von der Ostallee in die Gartenfeldstraße abbog, wie er es zuvor drei Jahre lang gemacht hatte, als die ZKI noch in einem heruntergekommenen ehemaligem Verwaltungsgebäude untergebracht gewesen war. Er entschied sich, nicht zu wenden, und bog in die nassglänzende Güterstraße ein, zwängte sich zwischen den rechts parkenden Autos und dem Gegenverkehr hindurch und fuhr langsam an seinem alten Dienstgebäude vorbei.
Es lag da, als wenn am kommenden Montag die Abrissbagger angerollt kämen: leer, leblos und ungenutzt dem Verfall preisgegeben. Wie seine Kollegen hatte er die schimmeligen, zugigen Büroräume verflucht, doch jetzt hatte er fast ein wenig Mitleid mit dem aufgegebenen Verwaltungshaus. Die kunstlos aufgesprayte, aussagefreie Graffiti kam ihm wie eine Schändung seines ehemaligen Dienstgebäudes vor. Er erinnerte sich, wie er vor einem halben Jahr von seinem Fenster aus noch auf eine Baustelle gesehen hatte. Jetzt stand hier ein Logistikzentrum mit einer gelben Armada von Lieferwagen, und es bestätigte sich, dass auch neue Betriebsgebäude in ihrer einfallslosen Betonarchitektur bereits leblos wirken konnten. Ein paar hundert Meter später bog Buhle in die Schönbornstraße ab, passierte die Eisenbahnunterführung und nahm die nächste Abzweigung links in die Kürenzer Straße.
In der ZKI war es sehr ruhig. Er hatte der Soko Sauer für den Samstag freigegeben und auch einen arbeitsfreien Sonntag in Aussicht gestellt, falls sich nicht bedeutsame Ereignisse einstellen würden. Er selbst wollte sich noch einmal durch die Ermittlungsakten arbeiten, die sie gestern in weiten Teilen auf Vordermann gebracht hatten. Doch bevor er auf die Suche nach den Details gehen wollte, die sie vielleicht übersehen oder noch nicht richtig eingeordnet hatten, überlegte er, wo sie momentan eigentlich standen.
Sie hatten nun Klarheit über die Todesursache bei der kleinen Anne Altmüller. Sie war tatsächlich an dem Virus gestorben, mit dem im luxemburgischen Staatslabor experimentiert worden war. Alle Indizien deuteten darauf hin, dass ihr Vater selbst dafür verantwortlich war, auch wenn noch nicht endgültig geklärt war, wie die Probe in Alexander Altmüllers Besitz gelangt war. Doch auch hier gab es klare Ansatzpunkte. Mario Reno könnte das entscheidende Bindeglied gewesen sein.
Die luxemburgische Polizei hatte ihn den ganzen Freitag in der Mangel gehabt. Ebenso hatten sie den Institutsleiter und die ganze Mitarbeiterschaft befragt. Doch Reno bestritt oder schwieg, und die anderen wussten offenbar nichts, was ihnen weiterhalf. Am Abend hatte die dortige Kriminalpolizei Renos Wohnung durchsucht, jedoch keine Hinweise auf eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit Altmüller gefunden. Dafür ein triviales, aber triftiges Argument gegen seine Beteiligung am Mord an Suzanne Altmüller: Er hatte definitiv zu kleine Füße, und die Art Schuhe, die er zu tragen pflegte, passte ebenfalls nicht zu den Spuren am Tatort.
Der Unfalltod von Alexander Altmüller war weiterhin ungeklärt. Die naheliegendste Lösung war die deutlich überhöhte Geschwindigkeit, wie sie schon unmittelbar nach dem Unfall von der Polizei festgestellt worden war. Alles andere war reine Spekulation geblieben, auch wenn es dazu sicher allen Grund gab.
Was blieb im Mordfall Suzanne Altmüller? Nichts, jedenfalls nichts Neues. Über das Motiv konnten sie nur mutmaßen. Reno hätte
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