Keltengrab: Thriller (German Edition)
dass keines möbliert war. Als ich mich dem Ende des Schlaftrakts näherte, beschloss ich, in einem der Zimmer Licht zu machen und es mir genauer anzusehen. Aber ich musste es in drei Räumen versuchen, bis ich ein funktionierendes Licht fand.
Im Holzboden fehlte ein Brett, der Verputz an den Wänden blätterte ab, auf dem Fensterrahmen lag eine dicke Staubschicht, und an der Decke hing eine nackte Glühbirne. Diesen Raum hatte, genau wie alle anderen, seit langer Zeit niemand mehr bewohnt.
Ich schaltete das Licht aus und ging bis zum Ende des Korridors weiter, wo ich links auf eine Empore mit hoher Decke und großen Fenstern abbog, die meiner Schätzung nach auf den Kreuzgang hinausblickten. Ich war offenbar in Richtung Kirche unterwegs. Und es gab einen weiteren Hinweis darauf – ich hörte die Nonnen singen. Welche Stunde der klösterlichen Gebetsordnung war gerade? Ich schaute auf meine Uhr – 5.50 Uhr. Die Mette war um Mitternacht oder höchstens eine Stunde später, und darauf folgten – die Laudes, bei Tagesanbruch, oder? Aber es war noch zwei Stunden Zeit, bis es dämmern würde.
Ich trat durch eine Tür am Ende der Empore und fand mich auf einem Treppenabsatz mit zwei weiteren Türen wieder. Die auf der linken Seite führte zum Kreuzgang hinab, die andere war der Eingang zur Kirche. Rechts von mir stieg eine Holztreppe zu einer dritten Tür an, hinter der wahrscheinlich der Aufgang zum Turm lag.
Ich öffnete die Tür zur Kirche einen Spalt und blickte hinein. Eine steinerne Treppe führte hinab zum südlichen Querschiff, das halb im Dunkeln lag. Aber im Hauptschiff war Licht, und als ich die Stufen hinabstieg und mich der Kreuzung näherte, sah ich, dass an den Wänden zu beiden Seiten Lampen brannten, die sichtbar machten, dass das Kircheninnere beinahe leer war. Rechts von mir stand der marmorne Hochaltar noch auf seinem Platz, aber das war so ziemlich alles. Links von mir erstreckte sich kahler Fußboden bis zum Westportal, das geschlossen zu sein schien.
Die Stimmen kamen hinter dem Altar hervor, offenbar waren die Nonnen in der Marienkapelle am anderen Ende des Altarraums versammelt. Jetzt erst verstand ich, was sie sangen.
In hoc anni circulo … Zu dieser Jahreswende
Vita datur saeculo … Wird das Leben neu geschenkt …
Ich schlich zum Hochaltar und lugte um ihn herum. Rechtwinklig angeordnete, schmiedeeiserne Stangen mit einem Tor am Ende umgaben die Stufen zur Krypta. Pickel und Vorschlaghämmer, ein Pressluftbohrer, Eimer, Schalbretter und ein paar Schubkarren lehnten an den Eisenstangen oder lagen verstreut in der Nähe.
Die Nonnen erreichten das Ende des Liedes. Ich zog den Kopf ein, während nun das östliche Ende der Kirche zur Gänze in Sicht kam. Die Nische, in der vermutlich der Altar der Marienkapelle gestanden hatte, war leer, aber zwischen ihr und dem Eingang zur Krypta lag eine Tischplatte über zwei Böcken und darauf stand, völlig fehl am Platz, ein CD-Player mit zwei Lautsprechern.
Zunehmend verwirrt ging ich zu dem Gerät und hob einige CD-Hüllen auf, die in einem kleinen Stapel daneben lagen. Ich las den Titel der obersten: Geistliche und weltliche Weihnachtslieder.
Ich brauchte mir die Übrigen nicht anzusehen. Weder die Nonnen der Grange Abbey noch irgendwelche Gastmusikanten hatten die Weihnachtslieder gesungen, jetzt nicht und nicht bei meinen früheren Besuchen.
Ich blickte mich um und sah, dass das Tor zur Krypta offen stand. Ich bemerkte auch, dass es mit Stechpalmen und Bienenmotiven geschmückt war.
Ich näherte mich dem Tor. Unheiliger Grund.
Die Stufen lockten mich nach unten. Böses aus alter Zeit.
Ich hob einen Fausthammer von den Gerätschaften am Boden auf, steckte ihn in meinen Parka und stieg hinab.
57
Die Krypta sah zunächst wie ein typisch romanisches Bauwerk aus: mehrere Bogengänge aus massiven Trommelpfeilern und niedrigen Rundbogen, die den Raum unter dem Kirchenschiff in zahlreiche Nischen mit Tonnengewölbe teilten. Zwei Durchgänge waren erleuchtet, einer zur Rechten, der andere, der zum westlichen Ende führte, genau geradeaus. Ich bemerkte, dass die Pfeiler in dieser Richtung höher zu werden schienen – der Untergrund neigte sich abwärts.
Wenn das Kirchenschiff darüber auf einem Felssockel gebaut war, der in die Gegenrichtung abfiel, dann hatte man den ältesten Teil der Kirche, das östliche Ende, aus irgendeinem Grund am Anfang dieser zweiten Neigung errichtet. Der Effekt ähnelte dem zweier Rolltreppen in einem
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