Keltengrab: Thriller (German Edition)
rief er aus: »Ich weiß meinen Text nicht mehr!« und versank in Schweigen. Das Publikum glaubte, es würde zum Stück gehören, bis der Vorhang niederging. Und für P. V. Bowe ging er nie mehr auf. Keine Kompanie wollte das Risiko eingehen.
»Ja, wie traurig«, sagte Schwester Bernadette. »Und dann ist eine wie ich immer noch auf Achse, mit den üblichen Wehwehchen hie und da. Unkraut vergeht eben nicht, wie es heißt.«
»Sie scheinen überhaupt nicht zu altern, wenn Sie mich fragen.«
Eine Plattitüde meinerseits. Aber es stimmte. Abgesehen von ihrem geschrumpften Schleier sah Schwester Bernadette für mich noch genauso aus wie damals, als sie mich in der Volksschule unterrichtete – bis hin zu ihrer Buddy-Holly-Brille und den schimmernden falschen Zähnen.
»Ach, hör auf, Illaun.«
Sie lächelte albern, und ich ergriff die Gelegenheit, sie ein wenig auszufragen. »Ich wüsste gerne, Schwester, ob Sie mit einem religiösen Orden vertraut sind, von dem ich gerade gehört habe. Sie besitzen ein Exerzitienhaus namens Grange Abbey.«
Sie hielt auf einer Stufe und stützte sich auf meinen Arm, während sie offenbar in ihrer Erinnerung kramte.
»Zwischen Slane und Drogheda«, fügte ich an.
Schwester Bernadette drückte meinen Arm. »Ach, ja …« Wir stiegen weiter die hölzerne Treppe hinab. »… Grange Abbey, das ist ein alter Krankenpflegeorden. Hochnäsig sind sie auch. Ich glaube, ihr Stammhaus war in Dublin oder in der Nähe von Dublin, aber von dort sind sie inzwischen weg. Sehr viele sind es in Grange auch nicht mehr, würde ich sagen.«
»Nein, ich glaube, sie verkaufen.«
»Wie wir alle, Illaun. So ist das jetzt. Man will uns in den Schulen oder Krankenhäusern nicht mehr haben.«
»Mit welcher Art Krankenhäusern hatte der Orden zu tun?«
Wir hielten erneut an, und die alte Nonne musterte mich argwöhnisch. »Es geht aber nicht wieder darum, ein Verbrechen dieser Gesellschaft den Nonnen anzulasten?«
»Nein, Schwester. Es geht hauptsächlich um den Erhalt einer archäologischen Stätte. Und um reine Neugier, wenn ich ehrlich bin.«
Wir legten die letzten Stufen zurück und betraten durch eine Tür die geflieste Vorhalle.
»Wöchnerinnenheime wurden sie früher genannt«, sagte sie. »Entbindungsheime, anders ausgedrückt. Nur waren es im Fall dieser Nonnen die Töchter der Reichen, um die man sich kümmerte.«
»Die Töchter der Reichen? Was genau meinen Sie damit?«
Unser Atem war in der kalten Luft sichtbar, die durch eine halb geöffnete Tür in den Vorraum eingedrungen war.
Die alte Nonne lächelte spöttisch, was ungewöhnlich für sie war. »Ich meine wohlhabende Katholiken, die verheimlichen wollten, dass ihre Tochter ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte.«
»Und was geschah dann? Wurde das Baby zur Adoption freigegeben?«
»Ja, die Ordensschwestern kümmerten sich auch darum. Ich weiß nicht, wie sie das Kirchenrecht in der anderen Sache umgingen, aber sie taten es.«
»Welche andere Sache?«
»Es war Nonnen immer verboten, Hebammen zu werden oder direkt mit Gynäkologie zu tun zu haben. Andere religiöse Orden, die Mädchen aufnahmen, wenn man ihnen die Schwangerschaft ansah, boten nur Zurückgezogenheit. Die Geburten fanden dann in privaten Entbindungskliniken statt. Ich kann nur vermuten, es lag an dem Einfluss, den die Schwestern aus Grange höheren Ortes hatten, dass man ihnen erlaubte, sich um schwangere Mädchen bis einschließlich der Entbindung zu kümmern.«
»Hmm … Das ist sehr interessant, Schwester. Danke.«
Wir trennten uns an der Kirchentür, und ich ging zu Fuß nach Hause. Nun wusste ich also, welcher Tätigkeit die Nonnen von Grange Abbey ihr Leben widmeten. Es ließ sie in meiner Achtung nicht höher steigen, vielmehr half es, ihr finanzielles Engagement bei dem Bauvorhaben für das Hotel zu erklären. Und es war vermutlich der Grund dafür, warum man ihnen überhaupt Ländereien überlassen hatte.
Als ich nach Hause kam, blinkte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Eine barsche Stimme, die sich als Detective Inspector Matt Gallagher von der Garda in Drogheda zu erkennen gab, wollte unbedingt, dass ich ihn möglichst bald anrief oder persönlich auf dem Revier vorbeikam.
Aber zuerst rief ich Finian an. »Weißt du noch, wie wir über frankalmoign gesprochen haben? Ich weiß jetzt, welchen Dienst die Grange Abbey leistete.« Ich erzählte ihm, was Schwester Bernadette gesagt hatte.
»Interessant. Bist du nun glücklich?«
»Was soll das
Weitere Kostenlose Bücher