Kerstin Gier 2
weggeputzt.«
»Können wir den nicht erneuern und das Tor wieder zumachen?«
»Zu spät. Das können jetzt nur noch sehr mächtige und alte Dämonenbezwinger.«
»Aber du bist doch alt!«
Sie war beleidigt. »Das habe ich nicht gehört. Außerdem ist alt sowieso relativ. Als Dämonin bin ich blutjung, noch im Praktikantenstatus!«
»Dann kündige ich die Wohnung und ziehe um«, sagte ich entschlossen. Fürs Erste würde ich einfach in der Kanzlei übernachten, ich arbeitete ja sowieso oft die halbe Nacht.
»Das wäre sinnlos«, sagte Elfriede. »Das Tor ist praktisch da, wo auch du bist. Es ist untrennbar mit deiner Aura verknüpft und wird von deiner Lebensenergie aufrechterhalten. Stell es dir vor wie deinen unsichtbaren Schatten.«
»Warum ausgerechnet ich?«, fragte ich fassungslos.
»Du warst am nächsten dran. Und deine Aura ist super geeignet für Tore.«
»Was soll ich denn jetzt tun?«
»Vor allen Dingen aufhören, dich so hysterisch anzustellen. Solange ich in deiner Nähe bleibe, kann dir nichts passieren.«
»Was genau bedeutet solange ?«, fragte ich mit versagender Stimme.
»Bis in alle Ewigkeit, wenn es sein muss«, informierte Elfriede mich. »Dämonen sind quasi unsterblich.«
*
Obwohl ich mit den Nerven restlos am Ende war, schaffte ich es irgendwie, mein Gespräch mit der wartenden Mandantin zu beenden. Ich empfahl ihr eine Therapie gegen die nervliche Anspannung und beschloss, mir dasselbe zu gönnen. Vielleicht konnte mich ein Therapeut davon überzeugen, dass ich mir alles nur einbildete.
Elfriede lehnte während des Gesprächs an der Wand und ließ Schwefeldampf entweichen. Dasselbe tat sie, als ich zum Mittagessen war, beim Italiener um die Ecke. Ich hatte keinen Hunger, aber das Bedürfnis, unter Menschen zu sein, die mich von meinem Schwiegerdämon ablenkten. Dort wurde ich auch Zeuge des ersten Übertritts aus der Zwischenwelt. Gerade rollte ich lustlos ein paar Spaghetti Bolognese auf, als mir im nächsten Moment die Gabel aus der Hand rutschte und klirrend zu Boden fiel. Mit offenem Mund starrte ich den flimmernden Riss an, der sich plötzlich direkt vor meinem Tisch auftat. Ein wuselndes, horniges Etwas zwängte sich hindurch. Es hatte Fledermausflügel, spitze Hörner und Zähne bis zum Bauchnabel. Mit einem Satz sprang es auf mich los. Elfriede fing es mitten in der Luft ab und biss ihm den Kopf ab. Grünliches Blut spritzte durch die Gegend. Ich übergab mich in einem Schwall auf meine Spaghetti.
Die Leute am Nachbartisch stöhnten angewidert, der Ober kam mit einem ganzen Stapel Servietten angerannt. » Madonna mia , die Bolognese ware ganze frische!«, schrie er, vermutlich in der Annahme, ich werde ihn verklagen. Von dem Schwiegerdämon, der sich gerade schmatzend und knirschend den Rest des Monsters zwischen die Kiemen schob, bemerkte keiner etwas außer mir.
*
»Jetzt siehst du hoffentlich ein, dass du mich brauchst«, sagte Elfriede. Sie folgte mir auf dem Fuße, als ich erschöpft nach Hause wankte. »Ich weiß genau, dass du dich immer davor gedrückt hast, mich zu besuchen. Und es war auch deine Schuld, dass ihr so weit weggezogen seid, weil du ja unbedingt in Frankfurt arbeiten musstest.«
Es war Thomas gewesen, der nach Frankfurt hatte ziehen wollen, weil er dort eine gute Stelle bekommen hatte. Ich war nur mitgegangen. Doch ich hatte keine Energie mehr, um mit dem Schwiegerdämon zu streiten. Elfriede dagegen lief zu absoluter Höchstform auf. Während des Heimwegs kamen noch drei weitere Dämonen durch das Tor. Einen zerriss sie mit ihren Klauen mitten im Sprung, den zweiten zertrampelte sie mit ihren riesigen Plattfüßen, den dritten kickte sie wie einen Fußball hoch, fing ihn und zerquetschte ihn mit ihren Pranken. Mir fiel auf, dass die Biester immer größer wurden. Was würde geschehen, wenn sie ihnen nicht mehr gewachsen war?
»Ich liebe dieses Hobby«, sagte Elfriede zufrieden. »Das hält einen richtig jung. War eine gute Idee, hierher zu dir zu fahren statt mit Beate in die Kur.«
Ich hatte einen Entschluss gefasst. »Ich werde mich einweisen lassen«, verkündete ich, während ich die Haustür aufschloss.
»Warum das denn?«, fragte Elfriede, einstimmig mit Oliver, der gerade das Haus verlassen wollte und meine Worte gehört hatte, aber natürlich Elfriedes Anwesenheit nicht bemerkte.
»Ich brauche hochdosierte Tranquilizer«, erklärte ich ihm.
»Wie kommst du auf diese absurde Idee?«, wollte er wissen.
»Du denkst wohl
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