Kerstin Gier 2
Kochen übernehme?«
Franziska blickte ihrem Mann fest in die Augen. Michael war ein auffällig gut aussehendes Exemplar seiner Gattung. Er war groß und schlank, hatte trotz seiner 45 Jahre nicht den geringsten Ansatz von Geheimratsecken und erst recht keinen Bauch. Seine braunen Augen wirkten vertrauenserweckend, und nun setzte er auch noch jenes spitzbübische Lächeln ein, das Franziska so sehr liebte.
»Das wäre natürlich ein echtes Opfer!«
»Vorschlag akzeptiert?«, fragte Michael grinsend und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
»Unter diesen Bedingungen denke ich noch mal darüber nach«, anwortete Franziska und blinzelte ihm zu.
»Das mit dem Kochen habe ich natürlich nicht so ganz ernst gemeint«, wandte Michael ein.
»Ich schon«, erwiderte Franziska erbarmungslos.
»Was ist mit Kochen?«
Franziskas und Michaels Blicke glitten gleichzeitig zur Küchentür. Dort stand ihr ältester Sohn Lasse, der mit seinen fünfzehn Jahren bereits so groß war, dass sein Kopf fast den Türrahmen streifte.
Franziska zog die Pfanne vom Herd. »Papa kocht für uns. Und zwar zwei Wochen lang.«
»Dann ziehe ich in der Zeit zu Ole«, sagte Lasse. »Papa kann ja nicht mal Nudeln.«
»Nun mach mal halblang, Sohn«, entrüstete Michael sich. »Früher habe ich oft für Alma und dich gekocht, wenn deine Mutter länger gearbeitet hat.«
Franziska arbeitete an vier Vormittagen in der Woche im Stadtmuseum. Vor Joshas Geburt hatte sie mindestens 25 Stunden pro Woche an ihrem Arbeitsplatz verbracht, und Michael musste in seiner Mittagspause oft aus der Agentur nach Hause eilen, damit die beiden Kinder etwas zu essen bekamen.
»Eben deshalb«, meinte Lasse. Er öffnete die Kühlschranktür und begutachtete den Inhalt. »Hast du keine Würstchen gekauft, Ma?«
Franziska zeigte auf den Herd. »In zehn Minuten gibt es Abendessen.«
»Schon gecheckt«, antwortete Lasse, ohne seinen Blick vom Inneren des Kühlschranks abzuwenden. »Ökofutter: Möhren, Hirse, Huhn. Bäh!«
»Sehr gesundes Essen für junge Menschen, die im Wachstum sind«, sagte sein Vater und ergänzte: »In Anbetracht der Stromkosten fände ich es übrigens prima, wenn du das Cool- TV beenden könntest.«
»Hä?«
Michael erfand gern Worte, die andere nicht auf Anhieb verstanden. Wahrscheinlich lag das an seinem Beruf: Er arbeitete als Werbetexter und suchte ständig nach kreativen Begriffen.
Franziska brachte das Anliegen ihres Gatten auf den Punkt: »Kühlschranktür zu!«
»Schon kapiert«, erwiderte Lasse lässig und starrte weitere 30 Sekunden in das Innere des Gefrierschranks, bevor er die Tür endlich schloss. »Ist sowieso nichts Essbares drin.«
»Wie gesagt: In zehn Minuten gibt es Abendessen, dabei können wir dann über die wunderbare Idee eures Vaters reden.«
»Dass er zwei Wochen lang kocht?«, nahm Lasse den Faden auf.
Franziska nickte und hackte Petersilie, die sie anschließend über die Möhren streute.
»Wo bist du denn da eigentlich?«, fragte Lasse.
»Deine Mutter ist auch dabei«, erklärte Michael. »Sie kocht bloß nicht.«
»Verstehe ich nicht«, sagte Lasse und fuhr sich mit der Hand durch seine dichten dunklen Locken. »Ist aber auch egal. Ich gehe jetzt zu Ole. Wir wollen noch eine Stunde skaten. Vorher schieben wir uns eine Pizza in den Ofen.«
»Nichts da«, beschied Michael. »Wir essen gemeinsam und reden über meinen Plan.«
Franziska drehte sich kurz um. »Du kannst schon mal deine Geschwister rufen.«
»Aber ich bin verabredet«, insistierte Lasse.
»Erst essen, danach kannst du noch eine Stunde skaten«, teilte Franziska unmissverständlich mit.
Erstaunlicherweise sagte Lasse darauf nichts mehr. Er verließ die Küche und brüllte ein noch zwei Häuser weiter zu hörendes »Alma! Josha! Runterkommen!« die Treppe hinauf.
»Ein wohlgeratener und gehorsamer Spross«, sagte Michael.
»Nur seine Stimme ist ein bisschen zu voluminös …«, antwortete Franziska, füllte Hirse und Möhren in Schüsseln, nahm das Hähnchen aus dem Backofen und stellte alles auf den bereits gedeckten Tisch.
Fünf Minuten später saßen alle an dem großen Esstisch, der inmitten der großen Wohnküche stand.
Bevor einer von ihnen die erste Gabel zum Mund führen konnte, ergriff Alma das Wort: »Lasse fabulierte im Flur etwas von einem mirakulösen Consilium.«
Die zwölfjährige Alma erfand im Gegensatz zu ihrem Vater zwar selten neue Wörter, aber sie liebte Fremdwörter, Fremdsprachen und alles, was mit Bildung zu tun
Weitere Kostenlose Bücher