Ketaria - Die Liebe des Verfluchten (German Edition)
des Jahrhunderts gewesen. Aber zum Glück hatte Raphael sich nicht in Wulfric getäuscht. Der blonde Hüne hatte sofort klargemacht, dass niemand ihnen etwas antun durfte. Nicht alle waren einverstanden gewesen, aber niemand hatte es gewagt, ihm zu widersprechen. Raphael hatte sich, gemeinsam mit der hiesigen Heilerin, nach oben begeben und war momentan damit beschäftigt, Cedrics Wunden zu versorgen. Wulric war allerdings nicht mit ihnen gegangen, er saß Lucia gegenüber am Tisch und musterte sie intensiv, was ihr Unwohlsein noch steigerte. Um das lastende Schweigen zu brechen, fragte sie: „Warum bist du jetzt eigentlich nicht bei deinem Bruder?“
Er erwiderte ruhig: „Der Magier hat bewiesen, dass er bereit ist, ein Risiko einzugehen, um diese Misere ohne Blutvergießen zu lösen, ebenso wie du. Es wäre unehrenhaft ihm das nicht zu vergelten.“
„Ehre ist euch offenbar sehr wichtig“, stellte sie fest. Trotz ihrer prekären Lage regte sich Neugier in ihr. Wäre nicht Ricardos Leben und ihr eigenes auf dem Spiel gestanden, sie hätte das alles genossen. Es war ein Rätsel und Rätsel hatten schon immer eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie ausgeübt.
In Wulfrics Augen, die nun wieder blau waren, blitzte Überraschung auf.
Er fragte verblüfft: „Das traust du uns zu?“
Lucia erwiderte: „Nun, bis auf Albinus habt ihr offenbar in den vergangenen Monaten niemanden umgebracht, ich lebe noch und du vertraust Raphael deinen Bruder an, weil du denkst, sein Vertrauen erwidern zu müssen. Das lässt einen ganz klar zu diesem Schluss kommen.“
Ein trauriges Lächeln stahl sich auf Wulfrics Lippen, als er wehmütig antwortete: „Wenn doch nur alle Menschen wie du wären, dann wäre alles viel einfacher.“
Lucia fragte leise: „Sag mal, wie habt ihr hier draußen eigentlich überlebt? So weit ich gesehen habe, gibt es hier keine heilige Stätte, die euch vor den Dämonen geschützt hat.“
„Aufmerksam beobachtet“, erwiderte er, nun mit deutlichem Respekt in der Stimme, „wir hatten einen Beschützer.“ Lucia zog fragend eine Augenbraue hoch. Er erklärte: „Früher, vor den Dämonen, gab es viele Wesen, die entweder nur teilweise oder gar nicht menschlich waren. Die meisten von uns sind den Dämonen zum Opfer gefallen. Aber als mein Rudel damals kurz vor seiner völligen Vernichtung stand, kam eines der ganz alten Geschöpfe zu uns. Er war machtvoll genug, um gegen die Dämonen vorgehen zu können. Er hatte sich für eine Weile in der Nähe unseres Dorfes niedergelassen und jeden getötet, der uns zu nahe gekommen ist, bis sie gelernt hatten, sich fernzuhalten. So haben wir überlebt.“
„Was für ein Geschöpf könnte selbst Dämonen das fürchten lehren?“, frage sie erstaunt.
„Ein roter Drache, er nennt sich der rote Wächter“, erwiderte er.
Sie riss die Augen auf und keuchte: „Ihr kennt einen roten Drachen? Ich habe in einem alten Buch von ihnen gelesen. Aber ich dachte es gibt sie gar nicht mehr.“
„Ebenso wenig wie Werwölfe“, erwiderte er trocken.
Sie sagte schauernd: „Da hatten wir wohl Glück, dass er uns nicht gefressen hat. Aber sag mal, wieso hat er denn zugelassen, dass Albinus euch erpresst?“
Er erwiderte bitter: „Wir haben ihn gerufen und er ist auch gekommen. Aber nur um uns zu sagen, dass er nicht gegen die Menschen vorgehen wird. Wir sollten lieber einen Weg finden mit ihnen zu leben.“ Wulfrics Miene war dabei hart geworden.
„Das tut mir leid für euch. Wenn es nicht so wichtig wäre, würde ich euch in Ruhe lassen, aber wenn ich das tue, wird ein Unschuldiger sterben. Also was werdet ihr jetzt tun?“ Sie sah ihn ernst an.
„Ich denke man kann euch vertrauen. Wir werden euch gehen lassen, wenn ihr versprecht, unser Geheimnis zu wahren“, versprach er.
Lucia erwiderte bitter: „Aber Ricardo muss sterben.“
Sein Blick wurde weich, er legte behutsam seine Hand auf ihre und erwiderte sanft: „Ich verstehe deinen Schmerz gut. Auch ich habe im Laufe der Jahre viele verloren, die meinem Herz nahegestanden haben. Aber du musst mich verstehen, ich kann mein Rudel nicht der Willkür der Menschen ausliefern. Nicht alle sind so ehrenhaft und aufgeschlossen wie du.“ Er hatte ja recht, aber sie konnte Ricardo doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Sie schloss gequält die Augen. Erst Raphaels Stimme veranlasste sie, sie wieder zu öffnen.
Er sagte ruhig: „Er wird sich wieder erholen, ihr Werwesen heilt ja recht schnell. Seid ihr bei unserem Dilemma
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