KGI: Tödliche Rache (German Edition)
wirklich keine Skrupel hätte, den Job zu erledigen. Willst du wissen, was mein Vater daraufhin getan hat?«
Sam schloss die Augen. »Oh Gott, Sophie, du musst mir das nicht erzählen.«
»Oh doch, das muss ich. Vielleicht kannst du es ja verstehen, ich selbst verstehe es nämlich immer noch nicht. Nicht mal ansatzweise. Wir saßen am Tisch und aßen, und er redete mit diesem Arschloch über ihre Pläne. Als der Mann dann die Frage stellte, zog mein Vater einfach seine Waffe und schoss meiner Mutter in den Kopf. Am Esstisch! Und dann aß er weiter, als wäre nichts geschehen. Sein einziger Kommentar? ›Und, haben Sie immer noch Zweifel?‹«
»Heilige Scheiße! Wie alt warst du da?«
Sie antwortete nicht gleich, weil sie wieder ihre Mutter vor sich sah, die auf dem Stuhl zusammensackte, und das Klirren hörte, mit dem die Gabel auf den Tisch fiel. Und dann das Blut! Unmengen von Blut, die auf das blütenweiße Tischtuch liefen. Sophie hatte nicht geschrien. Sie hatte sich mucksmäuschenstill verhalten. Obwohl sie noch so jung gewesen war, hatte sie gewusst, dass ihr Vater sie beim kleinsten Geräusch womöglich auch erschießen würde, nur um zu zeigen, dass er es konnte.
»Ich war zehn«, sagte sie schließlich. »Er hat einfach weitergegessen und sich dann beschwert, dass sein Steak zu stark durchgebraten sei. Ich weiß noch, dass ich Angst um den Koch hatte, aber mein Vater war die Ruhe selbst. Er schob einfach den Teller zur Seite, wischte sich den Mund ab, richtete den Blick auf den Mann ihm gegenüber und fragte ihn, ob er einen Drink wolle. Sie haben sich in das Büro meines Vaters zurückgezogen, und ich saß da und starrte meine Mutter an. Irgendwann kam das Dienstmädchen und hat mich weggebracht, und dann haben die Männer meines Vaters die Leiche entsorgt, wie sie alles entsorgt haben, was ihm nicht gefiel.« Sie hob den Kopf und suchte Sams Blick. »Du wolltest wissen, warum ich ihn getötet habe. Ich habe ihn mit der gleichen Verachtung getötet, mit der er damals meine Mutter erschossen hatte, und ich habe ihn getötet, um endlich frei zu sein.«
»Oh mein Gott, Liebling. Mir fehlen die Worte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du das alles so lange ertragen hast.« Er zog sie an sich und legte schützend den Arm um sie, während er ihr mit der anderen Hand übers Haar strich. »Es tut mir leid. Es tut mir so unendlich leid.«
Sie schloss die Augen und atmete seinen tröstlichen Geruch ein. Heiße Tränen liefen noch immer ihre Wangen hinab und wurden von seinem T-Shirt aufgesogen.
Sophie hatte nie um ihre Mutter geweint. Dafür hatte sie viel zu viel Angst gehabt. Selbst wenn sie nachts allein in ihrem Zimmer gewesen war, hatte sie gefürchtet, ihr Vater könnte sie hören. Er verabscheute jede Form von Schwäche, und so hatte sie jahrelang daran gearbeitet, niemals eine Spur von Schwäche zu zeigen.
Es klopfte an der Tür, und Sophie machte rasch einen Schritt von Sam weg. Hastig wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, in der Hoffnung, ihren Kummer verbergen zu können.
Sam ließ ihr einen Moment Zeit, dann beugte er sich vor und küsste sie.
»Das ist der Arzt. Setz dich und mach es dir bequem. Er soll dich gründlich untersuchen, bevor wir aufbrechen.«
Sie sank auf das Sofa und hörte nur mit halbem Ohr hin, als Sam zur Tür ging und leise mit dem Arzt sprach. Kurz darauf kam ein älterer Mann herein, der ein Wägelchen mit einem medizinischen Apparat vor sich her schob. Ihr entging nicht, dass Sam hinter ihm die Hand an seiner Waffe hatte und den Arzt nicht aus den Augen ließ.
»Sophie, ich bin Dr. Richards. Ich würde Sie gern untersuchen, den Herzschlag des Babys überprüfen und eine Ultraschalluntersuchung machen, wenn es Ihnen recht ist. Nur um mich zu vergewissern, dass alles so ist, wie es sein sollte.«
Er lächelte sie an, während er mit ihr redete, und Sophie entspannte sich ein wenig.
»Das heißt, ich werde das Baby sehen?«
Sophie spürte, wie mit der Vorfreude darauf auch ihre Hoffnung zurückkehrte, und trotzdem hätte sie gleich wieder in Tränen ausbrechen können.
»Ja, und wenn Sie möchten, können wir auch nachschauen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.«
Sophie sah Sam fragend an. Er machte einen etwas überforderten Eindruck.
»Oh ja«, flüsterte sie. »Sam, möchtest du es auch wissen?«
Sam ging um den Arzt herum und setzte sich neben sie. »Ja. Unbedingt.«
Der Arzt überprüfte zunächst Sophies Puls und Blutdruck und stellte ihr
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