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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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das ist und so. Wie. wie verdammt ängstlich man sein kann, wenn man daliegt und wartet. Das Warten ist fast noch schlimmer als die Schläge selbst.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Und deshalb ist deine Mutter Alkoholikerin?«
    »Ich glaube, ja«, nickte Edmund und tauchte seine Brille ins Wasser, um sie zu säubern. »Er trank wie ein Loch, deshalb denke ich schon, dass sie es von ihm gelernt hat. obwohl sie wie gesagt die erbliche Veranlagung dazu hat. Ihr Vater hat wie der Teufel gesoffen.«
    »Und wo ist er jetzt, dein richtiger Vater?«
    »Keine Ahnung«, erklärte Edmund. »Er ist abgehauen, als ich fünfeinhalb war, und Mutter weigert sich, über ihn zu reden. Und dann tauchte Albin ja auch bald auf der Bildfläche auf.«
    Ich nickte.
    »Es ist einfach widerlich, wenn Leute prügeln«, sagte
    Edmund und setzte sich seine triefende Brille wieder auf. »Und besonders, wenn sie auch noch auf welche losgehen, die schwächer sind als sie. Ich kann das nicht ausstehen.«
    »Das ist einfach eklig«, stimmte ich ihm zu. »So eine Scheiße sollte einfach nicht erlaubt sein.«
     
    ***
     
    Als wir zurückkamen, war Henry verschwunden, und wir verbrachten den Rest des Abends damit, Halma zu spielen und Kaugummi zu kauen. Wir erfanden eine neue Variante, bei der mit Kaugummikugeln gespielt wurde und bei der die gegnerischen Kugeln, die übersprungen wurden, aufgegessen werden durften, aber irgendwie kamen die Regeln nie so recht hin. Deshalb gingen wir lieber rechtzeitig ins Bett, in den vorherigen Nächten waren wir etwas zu kurz gekommen, was den Schlaf betraf, besonders Edmund, und wir verzichteten ganz und gar auf Blumen unter dem Kopfkissen und all diesen romantischen Quatsch.
    Bevor ich einschlief, zeichnete ich noch ein paar Comicbilder, und Edmund schrieb einen Brief an seine Mutter in Vissingsberg. Er war mit seinen früheren Versuchen nicht zufrieden gewesen, und jetzt versuchte er es mit einem neuen Anlauf, etwas männlicher und humoristischer. Als er fertig war, riss er die Seite aus seinem Schreibheft und reichte sie mir rüber.
    »Wie findest du das?«, fragte er und kaute auf seinem Stift. Ich las:
     
    Hallöchen Muttern!
    Hier tost das Leben, hier läuft alles wie geschmiert. Ich hoffe, du bist nüchtern und fühlst dich pudelwohl. Wir sehen uns im
    Herbst.
    Immer Dein Edmund
     
    »Saustark«, sagte ich. »Das rahmt sie sich bestimmt ein und hängt es übers Bett.«
    »Glaube ich auch«, nickte Edmund.
    In dieser Nacht war kein einziges Geräusch von unten zu hören, nicht einmal das Tonband und das übliche Maschinengehämmere, aber irgendwann gegen Morgen wachte ich davon auf, dass drüben bei den Lundins Knaller geschmissen und Raketen abgefeuert wurden. Offensichtlich hielten sie eine Art Familienfeier ab. Wir hatten die letzten zwei Wochen nichts von ihnen gehört oder gesehen, aber es sah ihnen natürlich ähnlich, dass man genau in dieser Art und Weise von ihnen hörte. In der Mittsommernacht und so.
    Ich schlief schnell wieder ein, und dann träumte ich einen sonderbaren Traum, in dem Henry mit seinem Schlips in der Schreibmaschine festsaß. Er hämmerte fieberhaft auf die Tasten ein, um loszukommen, aber mit jeder neuen Zeile wurde er natürlich immer mehr gewürgt. Schließlich - als er schon fast mit der Nase an der Walze war - rief er um Hilfe. Oder krächzte vielmehr, denn er konnte kaum noch atmen. Ich lief zu ihm und schnitt den Schlips ab, und als Dank dafür gab er mir eine Ohrfeige und erklärte, dass das ein verdammt teurer Schlips gewesen sei und dass ich ihm ein ganzes Kapitel versaut habe. Schon während ich ihn träumte, fand ich den Traum merkwürdig, und als ich aufwachte, war ich immer noch sauer auf Henry. Ich fand, es war gemein von ihm, mir eine Ohrfeige zu geben, immerhin hatte ich ihm das Leben gerettet. Ganz gleich, ob es nun ein Traum war oder nicht, es war einfach ungerecht.
    Doch als ich aufstand, saß er bereits draußen auf dem Rasen, schrieb und rauchte. Nur in Unterhose und ohne jede Andeutung einer Krawatte. Ich überlegte, dass der Traum so einer von der Sorte gewesen sein musste, der einfach aus dem Gleis geriet. Der überhaupt nichts bedeutete, wie man ihn auch drehte und wendete. Ich ging zu ihm hinaus.
    »Na, alles klar?«, fragte ich. »Ich meine, mit dem Buch.«
    Er lehnte sich zurück.
    Blinzelte in die Sonne, die gerade durch die Wolken brechen wollte.
    »Wie geschmiert«, sagte er. »Es läuft wie geschmiert, kleiner Bruder.«
    Dann lachte er sein

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