Kim Schneyder
oft vor«, meint Nora, bevor sie nachsetzt: »Außerdem wollen Männer ständig Sex, wenn sie betrunken sind.«
»Zugegeben.« Jetzt muss ich auch kichern. »Obwohl sie dann oft gar nicht mehr so richtig können!«
Wir brechen beide in fröhliches Gelächter aus, was von den anderen Gästen mit erstaunten Blicken quittiert wird.
Nora fasst sich wieder, dann mustert sie mich neugierig: »Aber mal ehrlich, Heidi, wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du wärst im falschen Lager. Schon mal daran gedacht?«
»Oh, du meinst, ob ich … mit einer Frau …?« Augenblicklich laufe ich rot an. Also, da liegt sie jetzt vollkommen falsch. Mit vierunddreißig hat man schließlich genügend Zeit gehabt, um sich über die eigene Sexualität klar zu werden, nicht wahr? »Nein, nein, Nora, ich bin genau da, wo ich hingehöre, das kannst du mir glauben«, versichere ich ihr hastig, damit sie nur ja auf keine falschen Gedanken kommt.
»Bist du dir sicher?«, fragt sie mit forschendem Blick.
»Total sicher, hundertprozentig«, bekräftige ich und liefere gleich noch ein gutes Argument für meine Behauptung: »Sonst wäre ich wohl kaum so von der Rolle gewesen, als ich dachte, Gerhard würde fremdgehen, oder?«
»Hm.« Das bringt sie wieder zum eigentlichen Thema unseres Gesprächs zurück. »Hat er dir eigentlich schon vorher Grund zu der Annahme gegeben, dass er dich betrügt?«
Ich denke kurz nach.
»Nein, eigentlich nicht«, schüttle ich dann den Kopf. »Ich meine, genau kann man das natürlich nie wissen, er kommt manchmal schon sehr spät nach Hause, wegen seiner vielen Termine, aber da war nie etwas Konkretes, nein.«
»Wie lange seid ihr denn schon zusammen?«
»Ziemlich genau ein halbes Jahr.«
»Und da waren nie irgendwelche Anzeichen, fremdes Parfüm etwa, Anrufe, die er in deiner Anwesenheit nicht annahm? Sexuelles Desinteresse?«, bohrt sie weiter.
Ich erwidere nachdenklich ihren Blick. Seltsam, jetzt, wo sie es erwähnt, fallen mir schon ein paar Sachen ein. Anrufe, die er mit einem kurzen Blick auf das Display und einer beiläufigen Bemerkung abtat. Und manchmal auch fremde Gerüche, wenn es wirklich spät geworden war, aber da kann ich nicht behaupten, dass es sich um Frauenparfüm gehandelt hat, sondern eher um eine Mischung aus Zigarrenqualm, Alkohol und sonst noch allem Möglichem.
Und das mit dem Sex, das ist doch wohl normal, oder?
»Nein, nichts von Bedeutung«, sage ich schließlich ausweichend. Obwohl ich Nora sympathisch finde, möchte ich sie nicht gleich in alle Geheimnisse unserer Beziehung einweihen.
Sie betrachtet mich nachdenklich. »Du scheinst dir aber nicht sicher zu sein«, stellt sie fest.
Nanu, bin ich so leicht zu durchschauen? Peinlich irgendwie, wo ich doch normalerweise meinen Kunden Ratschläge gebe, wie sie eben das vermeiden können.
»Doch, bin ich«, sage ich und klinge ein wenig trotzig dabei.
Als Nora merkt, dass unser Gespräch ins Stocken geraten ist, nimmt sie einen eleganten Umweg.
»Weißt du, was ich in solchen Situationen mache?«, meint sie.
»Was meinst du mit solchen Situationen? «, frage ich zurück.
»Na, verzwickte Beziehungskisten. Wenn ich mir nicht sicher bin, woran ich mit einer Partnerin bin, zum Beispiel.«
Es klingt irgendwie seltsam, wenn eine Frau wie sie von ihrer Partner in spricht.
»Was denn?«, frage ich.
»Ich lasse sie durchchecken.«
»Wie, durchchecken? Von einem Arzt?«
»Nein, von einem Detektiv. Habe ich auch bei Petra gemacht, das kann einen manchmal vor groben Fehlern bewahren, gefühlsmäßig.«
»Wie bitte, du hast sie beschatten lassen?«, frage ich fassungslos.
»Nicht nur das, ich hab auch ihre Vergangenheit überprüfen lassen«, sagt sie ungerührt. »Tatsache ist doch, dass jemand, den du gerade erst kennengelernt hast, dir alles Mögliche erzählen kann, und du hast keinen blassen Schimmer, ob es stimmt oder nicht.«
»Also, das mit der Vergangenheit ist bei Gerhard wohl nicht nötig«, wende ich ein. »Dass er Anwalt ist, und zwar ein ziemlich guter, das wissen wir ja.«
»Stimmt«, nickt sie. »Dennoch, solltest du Zweifel an seiner Treue haben, wäre das eine Möglichkeit. Und man kann das durchaus auch positiv sehen: Falls sich herausstellt, dass er unschuldig ist, weißt du wenigstens, dass du ihm vertrauen kannst. Aber natürlich dürfte er das nie erfahren, auch nicht nach Jahren. Er würde es dir wahrscheinlich übel nehmen, dass du je an ihm gezweifelt hast.«
Je mehr ich über Noras
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