Kinder der Ewigkeit
Aurora hat weder das eine noch das andere.«
»Ein Monat«, murmelte Esebian. »Vierzig Tage.«
»Höchstens«, betonte der Bioingenieur. »Wenn Sie bis dahin nicht den nächsten Aufstieg schaffen, sind Sie kein Kandidat mehr, sondern ein Grauer. Sie sollten … Alternativen in Erwägung ziehen und entsprechende Vorbereitungen treffen.«
»Nein. Für mich gibt es keine Alternativen.«
Die Tür öffnete sich, und der junge Lazich sah herein. »Erebos erwacht.«
Esebian nickte. »Machen wir uns auf den Weg.«
Vier Personen erwarteten sie draußen auf der großen Plattform aus Synthomasse, die als Landeplatz für Orbital- und Atmosphärenspringer diente und auf der manchmal auch Versammlungen der Enklavenräte von Drossos stattfanden. Am Rand des etwa zweihundert Meter durchmessenden Platzes ragten Gebäude auf, die ebenfalls aus leicht zu produzierender Synthomasse bestanden und so ineinander verschachtelt waren wie die Häuser und Wohnzellen der Wabenstadt auf Gevedon. Die meisten von ihnen waren mit kleinen Gravankern gesichert, obwohl sie über direkte, säureneutrale Verbindungen mit besonders dicken Ästen oder sogar den Stämmen der Titanbäume verfügten, die bis zu siebenhundert Meter weit aufragten und die Säulen des Waldes waren, der bis auf die kalten Polargebiete den ganzen Planeten bedeckte. Drossos: So nannten die primitiven, affenartigen Laii ihre Heimat, ein Name, der sowohl »Welt« als auch »Wald« bedeutete.
Neben dem jungen Lazich, der erneut nur Augen für Leandra hatte, standen zwei Männer in mittleren Jahren und eine ältere Frau vor der Tür des Laboratoriums. In den Gesichtern der beiden Männer zeigte sich eine Besorgnis, die an Ablehnung grenzte, doch die ältere Frau streckte Esebian mit einem Lächeln die Hand entgegen. »Ich bin Jacinta, die Vorsitzende dieser Enklave. Dies sind meine beiden Administratoren Felton und Kaspari. Lazich kennen Sie bereits. Wie ich von ihm hörte, haben Sie nach Uskuch gefragt.«
»Hyun Uskuch«, sagte Esebian und fühlte Caleb in sich flüstern. »Er kam vor siebzig Jahren hierher und gründete die Iwaschta-Enklave. Ein guter Freund von Lukas, und auch von mir.«
»Ja. Sie sind ebenfalls ein guter Freund von Lukas gewesen, habe ich gehört.« Jacinta sah kurz zu Lazich, der aber nicht auf sie achtete und versuchte, Leandra in ein Gespräch zu verwickeln. »Ein so guter Freund, dass er Sie zu seinem Erben machte. Seinen Tod bedauere ich sehr. Er stand uns allen sehr nahe.«
Esebian griff in die Hosentasche, holte eine Datenscheibe hervor und gab sie der älteren Frau. »Darin sind alle Codes gespeichert, die mich als Lukas' Erben ausweisen.«
Jacinta nahm die Scheibe entgegen, sah nachdenklich darauf hinab und steckte sie dann ein. »Danke, Esebian. Ihnen gehören neunzehn Prozent der hiesigen Niederlassungen. Sie haben damit Anspruch auf einen Sitz im Enklavenrat.«
»Wovon vermutlich nicht alle begeistert sind«, sagte Esebian mit einem kurzen Blick auf Felton und Kaspari.
Der schmächtige und bärtige Felton nickte ernst. »Ich kann es nicht leugnen. Sie werden im Direktoriat als Mörder gesucht. Angeblich haben Sie einen Erlauchten umgebracht. Ihre Präsenz zieht die Aufmerksamkeit der Ethikwächter und Observanten auf uns. Die Situation könnte eskalieren.«
»Die Magister könnten auf den Gedanken kommen, einen Seeder oder Emergenten hierher zu schicken«, fügte der hochgewachsene Kaspari hinzu.
»Ich möchte mit Erebos sprechen«, sagte Esebian. »Alles Weitere sehen wir dann.«
»Wir bringen Sie zu ihm.« Jacinta deutete auf einen silbergrauen Atmosphärenspringer am Rand der Plattform. »Kommen Sie.«
Der Springer war geräumig genug, um zehn Personen Platz zu bieten, und Felton und Kaspari wählten die Sitze ganz hinten. Jacinta setzte sich an die Kontrollen, und Esebian sank neben ihr in den Sessel des Kopiloten. Der junge Lazich und Leandra nahmen direkt hinter ihnen Platz. Ein Gravitationsmotor summte, und der Atmosphärenspringer stieg auf, kippte dann zur Seite ins weltumspannende Grün.
Leandra sah aus dem Fenster. »Ein Wald, der einen ganzen Planeten bedeckt«, staunte sie.
Lazich setzte zu einer Erklärung an, aber Esebian kam ihm zuvor. »Wenn du dabei an eine friedliche, harmonische Welt denkst, so irrst du dich gewaltig. Der Wald von Drossos ist kein grünes Paradies, sondern eine grüne Hölle. Er besteht aus sieben ökologischen Hauptebenen mit jeweils drei Lokalbiotopen. In jedem Abschnitt findet ein
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