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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Minuten flogen sie ins Filigran, und während der Adaptation träumte Esebian von Ayanne, deren große grüne Augen zu denen von Leandra wurden.

 
     
     
    Wenn sie dir hier viel Zeit verspricht,
    Der Weg ist kurz durch diese Zeit,
    Und führt zur langen Ewigkeit.
     
KONFRONTATIONEN
45
     
    »Nun, Präfekt?«, fragte El'Farah mit einer wie geölt klingenden Stimme. »Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«
    Die dreitausend Jahre alte Unsterbliche betrat das Brunnenzimmer des Domizils, gekleidet in ein türkisfarbenes, wie Seide glänzendes knisterndes Gewand, besetzt mit blauen Rubinen von Omullan. Das rote und orangefarbene Haar bildete auch diesmal einen Turm auf ihrem Kopf, und an den Schläfen, dicht unter dem Haaransatz, saßen zwei kleine Insektoiden, wie verkleinerte Versionen von Filigranwebern.
    »Ich nehme an, Sie haben meinen letzten Bericht erhalten, Exzellenz«, sagte Tahlon, stand auf und bedauerte einmal mehr, dass seine Erweiterungen im Neutralisierungsfeld des Domizils nicht funktionierten. Ohne sie war er darauf angewiesen, in ihrer Körpersprache, Gestik und Mimik nach subtilen Hinweisen Ausschau zu halten, und selbst weitaus jüngere Erlauchte hatten sich so gut unter Kontrolle, dass sie damit nichts verrieten, was sie nicht verraten wollten.
    »Bleiben Sie sitzen, Präfekt, bleiben Sie sitzen.« El'Farah verharrte an einem der drei großen Kamine, als wollte sie sich nach dem Flug durch die stürmische Polarnacht an den flackernden Pseudoflammen wärmen. »Ich habe nie verstanden, warum El'Kalentar ausgerechnet diesen Ort für sein Domizil gewählt hat«, sagte sie wie nachdenklich. »Kann es wirklich seine Absicht gewesen sein, eine ganze Ewigkeit in kalter Finsternis zu verbringen?«
    Tahlon sank wieder in einen der Sessel, die unweit des großen Brunnens standen, aus dem echtes Gletscherwasser sprudelte, erwärmt und aromatisiert. Kleine mobile Lampen und flexible Düsen gaben dem emporspritzenden Wasser – vor Jahrtausenden als Schnee gefallen und vom Gewicht der Jahrhunderte zu Eis gepresst – immer wieder neue Formen und Farben.
    »Hier am Pol ist es nicht immer dunkel«, sagte er. »Und was die Monate der Finsternis betrifft … Sie laden zum Nachdenken ein, zur Meditation.«
    El'Farah drehte sich um und richtete einen erstaunten Blick auf ihn. »Höre ich da Ihren eigenen Wunsch nach kontemplativer Ruhe?«
    Tahlon zögerte. »Ich habe noch nicht entschieden, wo ich nach dem letzten Aufstieg mein Domizil einrichten werde. Meine Residenz befindet sich in Agreda bei den Kobaltblauen Seen; vielleicht bleibe ich dort. Oder ich lasse mich auf einer der anderen Hohen Welten nieder, zum Beispiel auf Gondal.«
    El'Farah kam näher, und ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Als Tahlon sie aus der Nähe sah, stellte er fest, dass es in ihrem Gesicht nur wenige Falten gab, gerade genug, um Reife zu vermitteln. »Für jemanden wie Sie haben wir überall Platz, Präfekt. Sie werden uns herzlich willkommen sein.«
    Die Worte bewirkten so etwas wie angenehme Wärme in Tahlon, und er fragte sich, ob dieser Effekt beabsichtigt war. Mit knisterndem Gewand nahm die Unsterbliche im nächsten Sessel Platz, sah sich um und vollführte eine Geste, die dem ganzen Domizil galt. »Ohne ihn ist es hier … leer.«
    Interesse erwachte in Tahlon. Er wusste von der Freundschaft zwischen El'Farah und El'Kalentar. Waren sie vielleicht mehr gewesen als nur Freunde? Wie stand es um die Sexualität der Erlauchten? Gab es sie überhaupt? Ihm war kein einziger Fall von Nachkommen bei den Unsterblichen bekannt – in den Tausend Tiefen munkelte man, dass sie gar keine Kinder zeugen konnten.
    »Um Ihrer Frage zuvorzukommen, Präfekt … Ja er fehlt mir. Er fehlt uns allen. Mehr als sechstausend Jahre Erfahrung – einfach ausgelöscht, von einem Augenblick zum anderen. Das ist ein enormer Verlust. Aber offenbar machen Sie gute Fortschritte bei der Suche nach dem Mörder. So hieß es jedenfalls in Ihrem Bericht, den ich erhalten und mit großem Interesse zur Kenntnis genommen habe. Mir scheint, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir den Mörder seiner gerechten Strafe zuführen und den Fall damit abschließen können. Dann erhalten Sie Ihre fünftausend Meriten und werden einer von uns.« El'Farah lächelte erneut. »Haben Sie schon überlegt, wer Ihr Nachfolger werden soll?«
    »Mein Nachfolger?«, fragte Tahlon.
    »Wenn Sie einer von uns geworden sind, erweitern sich Ihre Horizonte, mein lieber Akir Tahlon«,

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