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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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direkt nach unten, und wurde so schmal, dass zu beiden Seiten der Schweber nur wenige Zentimeter Platz blieben.
    »Hast du versucht, unsere Position durchzugeben, Vater?« Evergreens Stimme klang ein wenig gepresst. »Dies könnte schnell zu einem Notfall werden.«
    »Sei nicht immer so pessimistisch, Tochter. Vielleicht haben wir diesmal Glück; vielleicht zeigt uns Oskar den Weg zum Großen Synchronisator.«
    Ein Stöhnen kam von hinten, laut genug, um das Summen des Gravitationsmotors zu übertönen. »Ich sehe nach ihm«, sagte Esebian, und Evergreen nickte kurz, ohne von den Kontrollen aufzuschauen.
    Titus Magobb hatte die Augen weit aufgerissen und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen. Seine Lippen bewegten sich; offenbar versuchte er zu sprechen. Esebian warf einen kurzen Blick nach vorn – die junge Frau war ganz auf die Navigation des Schwebers konzentriert.
    Der Kopf verharrte, und aus zornig funkelnden Augen sah Magobb zu ihm auf. »Sie verdammter …«, begann er. Esebian drückte ihm die Hand auf den Mund und war dankbar für die Gurte, die Magobbs Arme an den Sessel fesselten und ihn daran hinderten, sich zur Wehr zu setzen. Noch immer geschwächt und ohne seine Erweiterungen hätte er einen Kampf gegen ihn kaum bestehen können.
    »Wie geht es ihm?«, rief Evergreen von vorn.
    Es war erstaunlich, fand Esebian. Trotz des gefährlichen Flugs und einer Situation, die jederzeit zu einer Katastrophe führen konnte, fand sie Zeit, sich Gedanken um den Zustand eines Mannes zu machen, den sie für einen Verbrecher halten musste.
    »Es geht ihm den Umständen entsprechend«, antwortete Esebian, was durchaus der Wahrheit entsprach. Magobb zappelte und versuchte, sich zu befreien, aber er bekam keine Luft, und seine Kräfte schwanden schnell. Esebian sah in die weit aufgerissenen Augen und erkannte dort nicht nur Zorn, sondern auch Furcht. Wo bist du, wenn man dich braucht, Caleb?, dachte er und erinnerte sich daran, ihn um Hilfe gebeten zu haben. Aber in seinem Innern blieb alles still; er war auf sich allein gestellt.
    Und er wollte nicht noch einmal töten. Diesen Schwur hatte er vor zwanzig Jahren geleistet, als er zum Wissenschaftler Esebian geworden war, um sich auf legale Weise Meriten zu verdienen: Nie wieder sollte jemand durch seine Hand sterben. Er wollte den Tod besiegen, in mehr als nur einer Hinsicht. Und jetzt sah er, wie das Leben aus einem Mann wich, der zum Verräter geworden war.
    Als Titus Magobb die Augen verdrehte, nahm Esebian die Hand von Mund und Nase und versetzte ihm einen kurzen Schlag an den Hals. Mit einem weiteren raschen Blick nach vorn vergewisserte er sich, dass Evergreen noch immer auf die Navigation des Schwebers konzentriert war und gelegentlich ein Wort mit ihrem Vater wechselte. Dann schob er sich an einem Frachtmodul vorbei in den Ladebereich und begann im Durcheinander mit der Suche nach dem Kombiwerkzeug und dem grauschwarzen Kästchen.
    Er konnte sein Glück kaum fassen, als er das Werkzeug schon nach wenigen Sekunden fand. Der Zylinder lag neben einer offenen Provianttasche, und Esebian hob ihn auf, tastete mit Daumen und Zeigefinger über Sensorpunkte und hoffte, die Kontrolle über seine Erweiterungen zurückzuerlangen.
    Stattdessen explodierte Schmerz.
    Tausend stumpfe, schartige Klingen gingen vom Neuroprozessor in seinem Nacken aus, kratzten über empfindliche Nervenenden, schabten über Knochen und Knorpel, schnitten durch weiches Gewebe, bohrten sich in Gelenke und schredderten die Gedärme. Jeder vorsichtige Atemzug und jede noch so kleine Bewegung hüllten Esebian in Agonie. Anstatt der erhofften Ausdehnung seiner Sinne verengte sich die Wahrnehmung auf sonnenheiße Qualen, die alles in ihm zu verbrennen schienen. Er versuchte, nicht zu schreien, doch schließlich hörte er ein Heulen und begriff, dass es von ihm stammte.
    »Um Himmels willen, was ist da hinten los?«, rief Evergreen von vorn.
    Esebian nahm seine ganze Kraft zusammen, löste die Finger von den Sensorpunkten des Kombiwerkzeugs und wartete, bis der Schmerz so weit nachgelassen hatte, dass er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. »Ich … bin gestürzt. Es ist … nichts weiter.«
    Unter anderen Umständen hätte Evergreen, so jung sie auch sein mochte, bestimmt die Lüge in seiner Stimme gehört, aber sie war doppelt abgelenkt: von der Steuerung des Schwebers und den Worten ihres Vaters.
    »Oskar schlägt Alarm – Garbert kümmert sich gerade um ihn; er ist noch immer ganz aus dem

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