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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Esebian leise.
    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte die Kapsel. »Aber diese Anweisung verstehe ich nicht.«
    Das Gesicht der jungen Frau wich anderen Bildern. »Datenanfrage«, sagte Esebian. »Ich habe in dem Displayfeld dort drüben eine Frau gesehen, die ich kenne. Name: Leandra Covitz. Einzelheiten.«
    Direkt vor Esebian entstand ein kleines Feld, und Leandra erschien, dreidimensional und so real, als hätte sie Substanz. Sie drehte sich langsam, damit der Betrachter sie von allen Seiten sehen konnte. »Leandra Covitz, Bestätigung«, sagte die Kapsel. »Verfahren Nummer eins eins drei sieben drei neun vier Komma sieben sechs. Die Verhandlung findet jetzt statt.«
    »Ein Verfahren?«, fragte Esebian erstaunt. »Hier auf Oxnam?«
    »Bestätigung.«
    »Ich nehme an, das Verfahren ist öffentlich.«
    »Auf Oxnam sind alle Verfahren öffentlich.«
    Wieder fühlte sich Esebian von Unruhe erfasst, wie zuvor am Fenster seiner Residenz. »Bring mich zum Verhandlungsort.«
    »Sofort, Konsul.«
     
     
    Was soll das? , fragte Caleb. Wir verlieren wertvolle Zeit! Nimm den nächsten Orbitalspringer und flieg durchs Filigran.
    Esebian betrat das Auditorium und nahm in einer der erhöhten Sitzreihen Platz. Unten im Verhandlungsoval stand Leandra Covitz vor dem Gerichtstresen, hinter dem drei Kandidaten saßen, zwei Frauen und ein Mann. Die Abzeichen an ihren Kragen wiesen darauf hin, dass sie die vierte Stufe erreicht hatten und Legaten waren. Links von ihnen saß eine zierliche Protokollführerin, etwa vierzig Scheinjahre alt, und auf der rechten Seite sah Esebian einen mechanischen Zwitter, semipermanent an ein Interface angeschlossen, das ihn mit dem Magister über Oxnam verband. Am linken Rand des Ovals, direkt unter einer der schwebenden Lampen, warteten ein Observant und ein Ethikwächter.
    Es befanden sich nur einige wenige Zuschauer im Saal, und sie saßen in der ersten Reihe, direkt am Oval und nur wenige Meter hinter Leandra. Eine der beiden Richterinnen sah kurz auf, und Erstaunen huschte über ihr Gesicht, als sie den Neuankömmling als Konsul erkannte. Dann konzentrierte sie sich wieder auf Leandra Covitz.
    »Es wird festgestellt: Sie haben bei der Einreise bestätigt, von allen auf Oxnam herrschenden Regeln so bald wie möglich Kenntnis zu nehmen«, sagte die zweite Richterin. »Es wird festgestellt: Sie haben heute Nachmittag das Mirai-Atoll verlassen und sind in einem abgesperrten Gebiet schwimmen gegangen. In diesem Gebiet findet seit vier Jahren ein FEK-Experiment statt. Es wird festgestellt …«
    »Aber davon wusste ich nichts.« Leandra klang sehr besorgt. »Ich bin dort geschwommen, weil ich die Blüte erleben wollte. In meiner Heimat habe ich davon gelesen. Was für ein Glück, dachte ich, als ich auf Oxnam eintraf. Heute findet die Medusenblüte statt, zu der es nur einmal in vier Jahren kommt, und ich …«
    »Die Medusen sind Teil des FEK-Experiments, und die Blüte ist eine kollektive Befruchtung. Ihre Präsenz hat die Medusen gestört, und nach unseren Berechnungen erreichte die Befruchtung nicht den vorgesehenen Wirkungsgrad von fünfundachtzig Prozent, sondern nur einen von neunundsechzig. Darüber hinaus bildete Ihre Anwesenheit einen Stressfaktor, der nicht ohne Einfluss auf die neuen genetischen Strukturen bleiben wird.«
    »Aber ich …«
    »Der Magister stellt fest: Es wurde gegen die Regeln verstoßen«, sagte der mechanische Zwitter, dessen Rumpf mit dem Interface verbunden war. Die Augen des kleinen Mannes waren trüb und blinzelten in unregelmäßigen Abständen.
    »Es handelt sich eindeutig um einen schweren Fall«, verkündete die Richterin, die zu Esebian aufgesehen hatte. »Ein vierjähriges ökologisches Experiment wurde ruiniert. Die Bemühungen von einunddreißig Personen, darunter vier Kandidaten, sind zunichte gemacht.«
    »Es wird festgestellt: Die Angeklagte ist schuldig.«
    Die wenigen Zuschauer in der ersten Sitzreihe des Auditoriums steckten die Köpfe zusammen und murmelten.
    »Strafe«, sagte das männliche Mitglied des Richter-Trios.
    »Die Strafe wird festgelegt auf fünftausend Meriten«, entschied die andere Legatin.
    »Und ein Imprint«, sagte ihr Richterkollege ernst.
    »Und ein Imprint«, bestätigte die andere Frau. Sie nickte der Protokollführerin zu. »Wenn die Angeklagte innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht genug Verdienste sammelt oder erneut mit einem Vergehen der mittleren Kategorie oder höher gegen die Regeln verstößt, wird das Imprint zur

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