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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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unterdrücken und die Zellregeneration zu steuern.«
    »Ich kann dich nicht aufschneiden …«
    »Die Stimme, die du eben gehört hast … Sie wird dir sagen, wo und wie du schneiden sollst. Du musst nur die Erweiterungen herausholen; alles andere erledigt jemand anders.«
    »Nein, ich …!«
    »Verdammt, Leandra, begreifst du denn nicht, was auf dem Spiel steht? Es geht um unser Leben! Wenn uns die Observanten erwischen, ist es aus!«
    Eine zitternde Hand nahm den Datenstift entgegen, der sich teilweise in ein Skalpell verwandelt hatte. Esebian kletterte aus seinem Sicherheitsnetz und legte sich vor den Konsolenbogen, den gleich seine Subpersönlichkeit Yrthmo öffnen wollte – nachdem er selbst geöffnet worden war. Er zog das Hemd aus und lag mit bloßem Oberkörper da.
    »Was ist mit … Keimen und Verunreinigungen?«, fragte Leandra unsicher, als sie sich über ihn beugte.
    »Damit wird mein verstärktes Immunsystem fertig, keine Sorge.«
    »Du bist geschwächt.«
    »Wenn du die Erweiterungen nicht aus mir herausholst, bin ich bald tot, und du vielleicht auch.« Esebian ließ den Kopf auf den harten Boden sinken. »Ich bin so weit, Yrthmo.«
    Gut. Ich übernehme.
    Sein Körper schien von ihm zurückzuweichen. Er spürte, wie sich Lippen und Zunge bewegten, und hörte seine Stimme, die Yrthmos Stimme geworden war – sie gab Leandra Anweisungen. Links vom Nabel berührte ihn etwas, und von der Berührung ging Wärme aus, verwandelte sich schnell in unangenehme Hitze.
    Esebian konzentrierte sich und versuchte, den Schmerz aus seiner Wahrnehmung zu verbannen. Unter normalen Umständen, mit funktionstüchtigen Erweiterungen, wäre das nicht weiter schwer gewesen – bestimmte Implantate hatten ihm die Möglichkeit gegeben, nicht nur die Funktion der einzelnen Organe zu steuern, sondern direkten Einfluss auf die Aktivität der Zellen zu nehmen. Diesmal war er weitgehend auf Willenskraft angewiesen. Die wenigen Erweiterungen, die nicht ganz ausgefallen waren, dienten zur Überwachung und Stimulation von Basisfunktionen und konnten ihm kaum helfen.
    Er ruhte in sich selbst, wie in einer weichen Mulde, suggerierte sich Wohlbefinden und fühlte die Bewegungen seiner Hände. Etwas lief ihm warm über den Unterleib, und als er den Kopf ein wenig hob und die Augen öffnete, sah er sein eigenes Blut, das aus einem langen Schnitt im Bauch quoll. Leandras Finger tasteten in die Wunde, zogen kleine Geräte heraus und überließen sie den von Yrthmo gesteuerten Händen. Ihr Gesicht war weiß, und die Lippen bewegten sich, ohne dass Esebian etwas hörte.
    Nicht jetzt , dachte er in seinem isolierten inneren Kosmos. Nicht ausgerechnet jetzt.
    Taubheit erfasste Esebian, und er hätte sie willkommen geheißen, wenn es nur um den Schmerz gegangen wäre. Er hörte, wie Yrthmo Leandra aufforderte, die Ränder der Wunde zusammenzudrücken, und erneut konzentrierte er sich, obwohl zunehmende Benommenheit seine Gedanken träge machte. Lag es an Leandra, oder war es die eigene Schwäche? Zehn Konverterzellen waren ihm geblieben, und er nutzte die in ihnen enthaltene Restenergie, um die Zellen im Bereich der Wunde zu erhöhter Aktivität anzuregen. Unterdessen blieben seine Hände in Bewegung – Yrthmo öffnete mit ihnen die Verkleidung eines Teils des Konsolenbogens, hantierte mit den blutverschmierten Erweiterungen und setzte einzelne Komponenten zwischen die fremden Schaltmodule.
    Beschleunigte Zelladhäsion verklebte die Ränder der Wunde. Esebian hätte gern einen Blick darauf geworfen, aber Yrthmo sah noch immer in den Konsolenbogen, und derzeit gehörten die Augen ihm. Die Hände bewegten sich so schnell, dass Esebian kaum Einzelheiten sah, lösten hier einen kleinen Gegenstand und befestigten dort einen anderen. Ich bin gleich fertig, dachte Yrthmo. Esebian fragte sich, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Es kam ihm sehr lange vor.
    Etwas … oder jemand … wollte sich an ihm vorbeischieben und dorthin kriechen, wo Yrthmo an den Hebeln der motorischen Kontrolle saß. Lass mich übernehmen! , rief Caleb.
    Es summte, und der schwache Schein der Notbeleuchtung wich normalem Licht. Displayfelder bildeten sich, und neben ihnen glühten virtuelle Kontrollen.
    »Bereitschaft«, verkündete der Artikulator des Beiboots.
    Esebian drehte den Kopf, blinzelte mehrmals und bemühte sich, die Gedanken aus dem zähen Brei der Benommenheit zu befreien. Leandras Lippen bewegten sich noch immer, ohne dass ihn ein einziger Laut

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