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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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führte er an und warnte gleichzeitig vor der Verwechslung echter Vampire mit bedauernswerten Scheintoten, die für Blutsauger gehalten wurden. Nebenbei verbesserte er bei einem Lehrer sein Türkisch.
    Damit nicht genug. Sein Professor sandte ihm Adressen von Gelehrten, die sich gleichfalls an Vampiren interessiert zeigten, und Viktor korrespondierte seitdem ohne Unterlass mit ihnen.
    In den wenigen Stunden, in denen er seinen Händen Ruhe vom Schreiben gewährte, dachte er an Scylla. Es war offensichtlich, dass seine Geliebte zu den ganz besonderen Vampiren gehörte! Als sie sich vor seinen Augen in Luft aufgelöst hatte, waren die letzten Zweifel verschwunden. Die Vorstellung, einer Untoten verfallen zu sein, schreckte ihn merkwürdigerweise nicht. Die Liebe zu ihr und das wissenschaftliche Interesse passten sehr gut zueinander.
    Viktor sehnte sich nach ihr und hatte sich zuerst vorgenommen, entgegen ihrer Anweisung aufzubrechen und sie zu suchen. Aber was, wenn sie gar nicht mehr bei der Mühle war? Und was hatte es mit dieser mysteriösen Cognatio auf sich?
    Viktor wusste nicht, worum es den Kindern des Judas ging – doch er spürte, dass sich dahinter Großes verbarg. Und nur seine Geliebte konnte ihm Auskunft erteilen; also blieb er, wo er war, auch wenn das Warten die reinste Folter war. Er fühltesich fest mit ihr verbunden und war überzeugt, dass sie ihn trotz seiner Geheimnistuerei fand. Mehrmals glaubte er, ihre Stimme in seinem Kopf zu hören, als riefe sie aus weiter Entfernung nach ihm. Und jedes Mal hatte Viktor sie deutlicher vernommen. Daraus schloss er, dass sie wusste, wo er sich befand, und sich ihm näherte. Ob sie ihm bald eine Nachricht sandte?
    Viktor nickte den Garden vor dem Domizil des Marquis zu, die ihn inzwischen gut kannten, und stieg die Stufen hinauf. Ohne Verzögerung wurde er zum Statthalter vorgelassen. Auf dessen Schreibtisch stapelten sich kleine und große Briefe, daneben standen Päckchen und Pakete. Sie waren alle für ihn.
    »Der gelehrte Herr Pelzhändler«, empfing ihn D’Adorno mit einer Mischung aus Anerkennung und Ironie und zeigte auf die Stapel. »Sehen Sie, was Glaser, Flückinger und Sie angerichtet haben!«
    Viktor strahlte und hätte die Briefe am liebsten an sich gerafft und gedrückt. »Es wurde Zeit, dass über das Phänomen berichtet wird, Marquis. Es war schon immer da, wir haben den Menschen lediglich die Augen geöffnet.«
    »Und ich, lieber Herr von Schwarzhagen, habe meinen Vorgesetzten Bericht um Bericht senden müssen. Wegen Ihnen und den anderen Herrschaften.« D’Adorno zog die Schublade auf, langte hinein und förderte weitere Stapel zutage. »Ich räume aber ein, dass es mich ebenfalls gepackt hat. Glaser hat eine Abschrift seines Berichts an das Collegium Sanitatis in Wien gesandt, und sein Vater, der ein Schreiber ist, verbreitete die Nachricht über das Commercium Litterarium ebenfalls bis nach Wien.« Er legte ihm eine Zeitung hin. »Und das erschien am zwölften März in Nürnberg.«
    Viktor jubelte auf. »Endlich!«, sagte er glücklich und las die Zeilen. »Die Welt erfährt davon.«
    »Wir sind nicht die Einzigen, die dafür sorgen.« D’Adorno schob ihm eine Anfrage hin. »Ein Fähnrich aus dem hiesigenRegiment hat den Leipziger Professor Ettmüller angeschrieben und gefragt, wer die Toten denn zum Leben bringt.« Er räusperte sich. »Ich zitiere:
Weil man nun hier ein ungemeines Wunder daraus macht, unterstehe ich mich, Ihre Meinung mir gehorsamst zu erbitten, ob die Geschehnisse sympathetischer, teuflischer oder astralischer Geister Wirkung seien.«
Der Marquis lachte auf. »Jetzt machen sie schon Geister verantwortlich … Andererseits, haben Sie eine Erklärung, mein lieber von Schwarzhagen? Was sagen denn die Serben?«
    »Dämonen. Meistens.« Viktor hatte einen Hinweis entdeckt, dass es bereits viel früher Vampirberichte und -untersuchungen gegeben hatte, so zum Beispiel 1730 im slawonischen Possega oder ein Vorfall in Lublov, der sich zwar bereits 1718 ereignet hatte, aber erst jetzt publiziert wurde. »Wir haben die Neugier der Gelehrten geweckt«, sagte er stolz. »Haben Sie das gelesen? Tourneforts Bericht über Mykonos von 1718!« Er blätterte voller Eifer weiter. »Schauen Sie nur! Ein polnischer Upir, ein griechischer Vrykolokas, ein serbischer Strigon und walachische und siebenbürgische Moroi. Sie tauchen
überall
auf.«
    »Es ist wohl mit Ihr Verdienst, dass Archive von Bulgarien bis Griechenland durchforstet werden,

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