Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
über sich ergehen lassen. Ich wartete schon fast darauf, dass die Menge mit rhythmischem Klatschen ihr Recht wie im Kino fordern würde, wenn sich der Hauptfilm verzögerte.
    Jack Clemson hatte sich die ganze Zeit über, an die Wand gelehnt, mit einem Anwaltskollegen unterhalten. Kurz bevor Baileys Fall aufgerufen werden sollte, verließ er seinen Platz und ging zur Geschworenenbank. Dort sprach er kurz mit dem Hilfssheriff, der schließlich Bailey die Handschellen abnahm. Clemson und der Polizeibeamte waren gerade wieder zur Seite getreten, als vom Saaleingang her ein scharfer Befehl ertönte. Der Kopf des Richters fuhr hoch, und alle Übrigen drehten sich automatisch in einer synchronen Bewegung um. Im Türrahmen stand ein Mann mit roter Skimütze, die nur die Augenpartie freiließ. Er hatte ein Schrotgewehr mit abgesägtem Lauf im Anschlag. Die Wirkung, die von diesem Anblick ausging, war elektrisierend. Ein Raunen ging durch den Saal.
    »Keine Bewegung!«, brüllte der Mann. »Jeder bleibt, wo er ist!«
    Dann feuerte er einmal, wie um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Der Knall war ohrenbetäubend, die Ladung durchtrennte die Halterungskette einer Deckenlampe, die damit krachend zu Boden fiel und einen Glassplitterregen aussandte. Menschen suchten schreiend nach Deckung. Ein Baby begann schrill zu weinen. Die meisten, ich eingeschlossen, warfen sich einfach zu Boden. Baileys Vater allerdings saß wie gelähmt vor Schreck noch immer aufrecht auf seinem Platz. Ich packte ihn an der Hemdbrust, zog ihn zu mir herunter und warf mich schützend über ihn. Er wehrte sich, versuchte aufzustehen, doch in seiner gegenwärtigen körperlichen Verfassung war es nicht schwer, mit ihm fertig zu werden. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie einer der Hilfssheriffs im Schutz der Zuschauerbänke, die ihn gegen die Blicke des Amokschützen abschirmten, auf dem Bauch den Mittelgang entlangkroch.
    In diesem Augenblick sah ich den Schützen deutlicher und hätte schwören können, dass es Tap war. Seine Hände zitterten erbärmlich, und er wirkte viel zu klein und verkrampft, um wirklich gefährlich zu sein. Die eigentliche Gefahr stellte das Schrotgewehr mit seiner breiten, alles vernichtenden Streuung dar. Sein Finger am Abzug zuckte. Jede unerwartete Bewegung konnte ihn veranlassen, abzudrücken. Zwei Frauen in der Nähe von Royce begannen hysterisch zu jammern und hielten sich wie Liebende umklammert.
    » Los Bailey! Hau ab, verdammt nochmal!«, brüllte der Schütze, dann versagte ihm vor Angst die Stimme, und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich vorsichtig über die Bankreihen spähte. Der Mann musste Tap sein.
    Bailey war wie gelähmt. Er starrte den Typ mit dem Schrotgewehr ungläubig an, dann kam Bewegung in ihn. Mit einem Satz sprang er über die Holzbrüstung und rannte den Mittelgang hinunter zur Hintertür, während Tap erneut einen Schuss abgab. Ein großes, gerahmtes Foto des Gouverneurs fiel von der Wand und löste sich in seine Bestandteile auf, als die Gewehrladung durch Glas und Rahmen schlug und nur noch weißen Staub hinterließ. Aus dem Publikum ertönten erneut Schreie und lautes Jammern. Zu diesem Zeitpunkt war Bailey bereits verschwunden. Tap knickte den Tauf des Schrotgewehrs ab und lud zwei weitere Patronen nach, als er rückwärts den Gerichtssaal verließ. Ich hörte schnelle Schritte. Eine Tür fiel draußen ins Schloss. Dann ertönten Schreie und ein Schuss.
    Im Gerichtssaal herrschte das Chaos. Die Gerichtsdienerin und die Gerichtsreporterin waren verschwunden, und ich konnte nur vermuten, dass auch der Richter auf allen vieren kriechend das Weite gesucht hatte. Nachdem die unmittelbare Gefahrenquelle nicht mehr da war, drängten die Leute in panischer Hast dem Ausgang zu. Pearl zerrte seinen Sohn und die Schwiegertochter zum Notausgang und löste eine Alarmsirene aus, die ohrenbetäubend durchs Gebäude schrillte.
    Aus dem Korridor drangen immer mehr Schreie herüber, ich konnte jedoch kein Wort verstehen. Schließlich lief ich geduckt in die Richtung, aus der die Schreie kamen; ich wollte nicht von herumschwirrenden Kugeln erwischt werden. Auf dem Weg zur Hintertür kam ich an einer Frau vorbei, die heftig blutende Schnittwunden durch Glassplitter davongetragen hatte. Jemand versuchte bereits fachmännisch, die Wunden zu verarzten. Neben ihr weinten zwei Kinder eng umschlungen. Schließlich erreichte ich die Hintertür und rannte ins Freie. Draußen lehnte Shane

Weitere Kostenlose Bücher