Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung
horchte auf die Geräusche. Die Toilettenspülung rauschte, und danach wurde die Dusche aufgedreht. Da ich eine unverbesserliche Schnüfflerin bin, schweifte mein Blick zur Post, die auf dem Küchentisch lag. Wenn ich schon mal das Heinzelmännchen spielte, fühlte ich mich auch berechtigt, meine Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken. Ich blätterte durch einige ungeöffnete Rechnungen und Werbezuschriften. Auf den ersten Bück war nichts Interessantes dabei. Ich konnte überhaupt nur einen persönlichen Brief entdecken. Es war ein großer, viereckiger Umschlag mit einem Poststempel aus Los Angeles. Eine Glückwunschkarte? Drohungen? Das Kuvert war so fest verschlossen, dass ich mit dem Fingernagel nichts ausrichten konnte. Ich hielt ihn gegen das Licht. Nichts zu sehen. Völlig geruchlos. Shanas Name und Adresse waren handschriftlich mit Tinte geschrieben, doch das Schriftbild wirkte so neutral, dass Rückschlüsse auf die Person des Absenders unmöglich schienen. Widerwillig legte ich den Umschlag auf den Stapel zurück und ging zur Spüle.
Als ich das Geschirr gespült und zu einem gefährlichen Turm auf der Ablage aufgebaut hatte, kam Shana aus dem Badezimmer. Ein Handtuch hatte sie um den Kopf, ein anderes um den Körper gewickelt. Ohne jedes Schamgefühl trocknete sie sich ab und zog sich an. Ihr Körper wirkte älter als ihr Gesicht. In Jeans und T-Shirt und ohne Schuhe und Strümpfe ließ sie sich schließlich am Küchentisch nieder. Sie sah erschöpft aus, doch ihre Haut war sauber und gut durchblutet, und ihre Augen blickten wieder klarer. Sie zündete sich eine Camel ohne Filter an. Die Dame schien das Rauchen verdammt ernst zu nehmen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Zigaretten ohne Filter überhaupt noch im Handel waren.
Ich setzte mich ihr gegenüber. »Wann haben Sie zum letzten Mal was gegessen?«
»Hab ich vergessen. Mit dem Trinken habe ich heute Vormittag nach dem Chaos im Gerichtssaal angefangen. Armer Tap. Ich stand fast daneben.« Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Ich konnt’s nicht fassen. Das war einfach zu viel für mich. Ich mochte ihn nicht besonders, aber er war in Ordnung, ‘n bisschen dumm. Ein Aufschneider, der blöde Witze machte. Er muss verrückt gewesen sein. Kaum kommt Bailey in diese Stadt zurück, schon fängt alles wieder von vorn an. Die nächste Leiche. Und diesmal sein bester Freund.«
»Daisy meint, dass jemand Tap dazu angestiftet hat.«
»Das war Bailey!«, fuhr sie mich an.
»Augenblick mal«, entgegnete ich. »Tap ist gestern Abend in Pearls Billardsalon von irgendjemandem angerufen worden. Er ist dann sofort gegangen.«
Shana putzte sich die Nase. »Da muss ich schon fort gewesen sein«, sagte sie skeptisch. »Möchten Sie einen Kaffee? Ich habe aber bloß Nescafé.«
»Ich trinke gern ‘ne Tasse.«
Sie legte ihre Zigarette auf den Rand des Aschenbechers und stand auf. Über der Spüle füllte sie einen Topf mit Wasser, stellte ihn auf den Herd und zündete die Gasflamme an. Dann nahm sie zwei Kaffeebecher aus dem Geschirrkorb. »Danke fürs Abspülen. Das hätten Sie nicht zu tun brauchen.«
»Ich hatte ja sonst nichts zu tun...«, murmelte ich und verschwieg, dass ich die Gelegenheit genutzt hatte, ein wenig herumzuschnüffeln.
Shana förderte eine Dose Nescafe und zwei Löffel zu Tage, die sie auf den Tisch stellte, während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte. Schließlich zog sie erneut an ihrer Zigarette und blies den Qualm zur Decke. Langsam hüllte mich der Qualm ein. Ich würde mir noch einmal die Haare waschen und mich umziehen müssen.
»Ich glaube immer noch, dass Bailey sie umgebracht hat«, stellte sie unvermittelt fest.
»Aber warum hätte er das tun sollen?«
»Warum hätte es jemand anders tun sollen?«, konterte sie.
»Keine Ahnung. Aber nach allem, was ich gehört habe, war er der einzige wirkliche Freund, den sie hatte.«
Shana schüttelte den Kopf. Ihr Haar war noch feucht, es fiel ihr in Strähnen auf die Schultern und hinterließ dunkle Flecken auf ihrem T-Shirt. »Gott, ich hasse das! Aber manchmal habe ich mich gefragt, was wohl aus ihr geworden wäre. Darüber habe ich oft nachgedacht. Ich bin nie eine Mutter im üblichen Sinn gewesen, aber die Kleine und ich... wir standen uns sehr nah. Eher wie Schwestern.«
»Ich habe Fotos von ihr im Jahrbuch der Highschool gesehen. Sie war sehr schön.«
»Das hat ihr kein Glück gebracht. Manchmal denke ich, dass genau das die Ursache für alle ihre Probleme
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