Kirchweihmord
keine Mails von Claudia Herzing in Antonellas Programm gefunden?«
»Haben wir nicht. Sie hatte eine Löschfunktion aktiviert, die sämtliche Mails nach 48 Stunden automatisch tilgt.«
»Oh.«
»Richtig. Ich werde den Verdacht nicht los, dass Sie sich mit dem Fall Malesanto mehr befassen als mit Ihrer verschwundenen Ehefrau aus Scheßlitz«, knurrte der Kommissar.
»Aber es gibt Anhaltspunkte, dass Claudia Herzing und Antonella Malesanto sich am Sonntag getroffen haben«, sagte Katinka und suchte emsig ihr Notizbuch heraus. »Claudia hat eine Mail an Lola abgesetzt. Hier.«
Sie hielt Uttenreuther das Blatt hin. Er verzog keine Miene.
»Warum, Palfy, warum haben Sie nicht einfach eine Mail unter Ihrem eigenen Namen an Antonella geschickt?«
»Kleine Rache an meinem umtriebigen Ex-Nachbarn«, murmelte Katinka. Sie blickte auf und meinte, ein Grinsen in Hardos Mundwinkeln rasten zu sehen.
»O.k., es war albern und un … illegal«, bestätigte Ka-tinka zerknirscht.
Er warf das Blatt mit Claudia Herzings Liebesnachricht auf seinen Schreibtisch.
»Das kostet Sie ein Bier, Palfy!«, sagte er schnoddrig.
Katinka wollte schon aufatmen. Sie wollte nichts anderes, als dass ihr der Kommissar nicht mehr böse war. Schnell sagte sie: »Antonellas Mitbewohnerin Mette sagte, dass Antonella sich am Sonntag schick gemacht hat und mit dem Fahrrad losgezogen ist«, sagte Katinka. Dann hielt sie den Mund. Harduin Uttenreuthers schlechte Laune war zurückgekehrt.
»Aha!«, sagte er. Seine Stimme wurde sehr leise. »Palfy. Das ist nicht Ihr Fall. Haben Sie mich verstanden?«
»Habe ich«, sagte Katinka. »Aber ich habe einen Klienten, der seine Frau sucht. Seine drei kleinen Söhne würden auch gerne mal wieder ihre Mutter sehen …«
»Malesanto fiel einem Gewaltverbrechen zum Opfer.« Uttenreuther kramte eine Handakte aus seinem Schreibtisch.
»Hier. Sie starb an Ricin. Wissen Sie, was das ist?«
»Ein …«, Katinka zögerte. »Ein toxisches … ein Kampfgift.«
»Korrekt. Eines der stärksten Gifte biologischer Herkunft. Es wird aus Ricinussamen gewonnen, genauer gesagt aus den Preßrückständen bei der Herstellung von Ricinusöl. Ein Gramm reicht aus, um 1000 Menschen zu töten.«
Katinka blieb der Mund offen stehen.
»Die Samenschalen sind praktisch ungiftig, aber der Verzehr eines Samens kann schon zu viel sein.«
»Hat Antonella …«
»Ich nehme kaum an, dass sie sich ein wohlschmeckendes Ricinragout gekocht hat«, kauzte Uttenreuther. »Bei der Autopsie hat man an ihrem linken Oberschenkel eine Art Einstich gefunden. Sah aus wie ein entzündeter Insektenstich. Was sich aber dahinter verbarg, war eine winzige Kugel aus Platin und Iridium mit zwei mikroskopischen Löchern. Durch die trat das Ricin aus.«
Scheußliche Bilder sausten an Katinkas Augen vorbei.
»Ricin kann allergische Reaktionen auf der Haut hervorrufen«, erklärte Uttenreuther. »Es verursacht Quaddeln. Die Stelle sah für Malesanto selbst wohl aus, als habe sie einen Insektenstich aufgekratzt.«
»Das klingt nach einem Agententhriller«, flüsterte Ka-tinka. Sie spürte, wie der Döner wieder herauswollte.
»Nach Kalter Krieg klingt das, Sie haben Recht«, nickte Uttenreuther. »Es gibt einige belegte Fälle, in denen Agenten des Ostens exilierten Dissidenten auf diese Weise den Garaus gemacht haben.«
Katinka fuhr sich über ihre trockenen Lippen.
»Im Zuge der Terrormanie, die seit zwei Jahren einige Zeitgenossen umtreibt, haben wir einen verschärften Alarmierungsplan zu befolgen«, erklärte Uttenreuther. »Ricin ist vergleichsweise einfach herzustellen und extrem gefährlich. Wir haben den Katastrophenschutz verständigt, das Gesundheitsamt, das Landeskriminalamt.«
»In Bamberg«, sagte Katinka heiser, »gibt es nie im Leben eine Al-Qaida-Zelle!«
»Natürlich nicht!«, sagte Uttenreuther und schlug mit der flachen Hand auf die Akte. »Aber wo kommt dann das Ricin her?«
»Und warum wird eine harmlose Sprachschülerin damit vergiftet?«, hakte Katinka nach.
Uttenreuther fuhr sich über die Glatze.
»Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder ist sie nicht harmlos, sondern spielt eine Rolle in wer weiß welchem Stück, oder an ihr wurde etwas ausprobiert. Die Rechtsmedizinerin und die Techniker sind sich nämlich nicht einig, wie das Kügelchen in Malesantos Oberschenkel kam. Haben Sie mal von dem Fall Markov gehört?«
Katinka schüttelte den Kopf.
»Er war Exil-Bulgare und fiel im Jahre 1978 einem Attentat zum Opfer. In London
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