Klassentreffen
dem riesigen Obstkorb nachgeschaut, der mit Margot, Tessa, Roy und den anderen davonspazierte.
»So, die wären wir los. Schön ruhig hier«, sagt Zinzy. »Magst du einen Kaffee?«
Sie wartet die Antwort nicht ab, sondern geht gleich zum Kaffeeautomaten. Mit einem Milchkaffee für mich und einem Kaffee mit Zucker für sich kommt sie zurück. Sie stellt die Plastikbecher ab, setzt sich und legt die Beine auf den Schreibtisch.
»Gestern hat übrigens jemand für dich angerufen«, sagt sie.
»Hier bei der Arbeit?«
»Ja. Ein Mann.«
Der Kaffee schwappt über den Becherrand und macht einen hässlichen Fleck auf meine weiße Hose, aber ich achte kaum darauf. Gespannt sehe ich Zinzy an. »Ein Mann?«
»Ja, am Spätnachmittag. Ich hab ihm gesagt, dass du dich mittags krank gemeldet hast und nach Hause gegangen bist. Aber er meinte, du wärst nicht zu Hause.«
»Wie hieß er?«, frage ich im Befehlston.
»Keine Ahnung, tut mir Leid. Ich glaube, er hat seinen Namen überhaupt nicht gesagt. Komisch, eigentlich.« Besorgt sieht sie mich an. »Ist was? Wirst du etwa verfolgt?«
Ich mache eine hilflose Handbewegung. »Meine Nachbarin von oben hat gestern Abend einen Fremden vor meiner Tür gesehen. Er hat am Schloss rumgemacht und das Ohr an die Tür gelegt.«
»Ach du meine Güte! Das klingt nach Stalking!«, ruft Zinzy und beugt sich vor. »Und dann?«, fragt sie sensationslüstern.
»Tja, meine Nachbarin ist ganz schön mutig: Sie hat den Kerl verjagt.« Nach einem Schluck Kaffee gebe ich zu: »Heute Nacht hab ich davon geträumt.«
»Wundert dich das? Davon würd ich auch träumen! Hast du denn irgendeine Ahnung, wer der Typ gewesen sein könnte?«
Düster starre ich vor mich hin. »Ich hab mir das Hirn zermartert, aber ich weiß es wirklich nicht.«
»Vielleicht ist es jemand von früher. Jemand, dem es nicht passt, dass du so oft nach Den Helder fährst, um deine Erinnerung aufzufrischen.«
Beklommen sehe ich Zinzy an. »Daran hab ich auch schon gedacht. Neulich war ich beim Hausmeister von meinem alten Gymnasium. Ich hab mich wieder an ein paar Dinge erinnert und wollte Nachforschungen anstellen.«
Zinzy guckt mich über den Rand ihres Kaffeebechers an. »Woran hast du dich denn erinnert?«
Ich erzähle ihr von Herrn Groesbeeks Transporter und dem Wald, in den ich hineingehe, wobei mir mit jedem Schritt mulmiger wird.
»Das klingt nicht so, als ob du dir was ausdenkst«, sagt sie.
»Nein, aber es ist alles so vage. Im Gegensatz zu dem, was ich bei Groesbeek entdeckt hab.«
Ich hole die Zeitungsausschnitte hervor, die noch in meiner Tasche stecken, weil ich ohnehin vorhatte, sie Zinzy zu zeigen.
»Lauter verschwundene Mädchen«, sage ich, während sie den Stapel durchsieht. »Und das hier sind die Namen der Katzen von Herrn Groesbeek.« Ich blättere in meinem Notizbuch und halte die Seite hoch, auf die ich die Namen gekritzelt habe.
Zinzy liest sie, vergleicht sie mit den Zeitungsartikeln und sieht mich verdutzt an. »Wow!«
»Wenn nun ein alter Mann an meinem Türschloss rumgemacht hätte, wäre das vielleicht noch einleuchtend gewesen, aber so … ein junger Typ …«, sage ich.
»Woher weißt du, dass er jung war?« Zinzy rührt ihren Kaffee um, ohne den Blick von den Zeitungsausschnitten zu wenden.
»Das hat Frau Bovenkerk gesagt. Meine Nachbarin von oben«, sage ich.
»Und wie alt ist Frau Bovenkerk?« Zinzy sieht mich an und schiebt mir die Kopien wieder hin.
Ich packe sie in meine Tasche. »Weiß nicht genau, etwa siebzig.«
»In dem Alter findet man auch einen Fünfzigjährigen noch jung, also kann es jeder gewesen sein. Vielleicht war es Groesbeeks Sohn oder Enkel. Er hatte Besuch von seinem Enkel, dem er von dir erzählt hat und dann …«
Das Telefon klingelt. Widerwillig drehe ich mich um und gehe ran. Ich spule den üblichen Sermon ab, nenne meinen Namen und höre eine muntere Stimme: »Na, Schwesterchen! Bist du tüchtig am Arbeiten?«
Ich springe so ungestüm auf, dass ich meinen Kaffee umwerfe. »Verdammter Mist! Robin! Nein, das gilt nicht dir, sondern dem Kaffee, der hier gerade über meinen Schreibtisch läuft. Mit dir hab ich am allerwenigsten gerechnet, Mann! Du klingst ja so nah!«
»Das kommt hin, ich bin in Amsterdam. In meiner alten Wohnung.«
»Wie? Du bist hier! Das ist ja supertoll! O je, und ich muss den ganzen Tag arbeiten und kann mir nicht freinehmen. Zu blöd! Sehen wir uns denn heute Abend?«
Zinzy kommt mit einem dreckigen Geschirrtuch gerannt und
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