Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
erforderlich machte, innerhalb weniger Stunden wegschafften? Sein Team hatte in dem Bereich um die Hand und die Finger herumgegraben, die Carter damals, verschlungen in seine eigenen, gespürt hatte. Sie hatten erwartet, den Schädel erst eine ganze Weile später zu Gesicht zu bekommen. Carter hatte angenommen, dass er mindestens vierzig, fünfzig Zentimeter tiefer lag.
Der Leichnam musste nahezu waagerecht im Teer liegen.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Miranda.
Carter sah, wie über ihnen die übriggebliebenen Besucher von der Beobachtungsplattform gescheucht wurden, auch ein paar gedämpfte Protestrufe konnte er hören.
Claude und Rosalie warteten zusammen mit Miranda auf Anweisungen. Carter konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf den geschwärzten Schädel. Mit einem sauberen Lappen wischte er sich den Schweiß aus den Augen. Die Temperatur lag heute knapp unter dreißig Grad, doch am Grund der Grube war es mindestens zwei, drei Grad heißer. Die Oberfläche des Teers sah noch flüssiger aus als üblich, und Carter musste an die Formulierung denken, mit der Fischer die Stelle bezeichneten, an der Fische aktiv waren: Sie nannten sie »nervöses Wasser«. Dies hier sah aus wie nervöser Teer.
»Wir halten die Absaugschläuche von diesem Quadranten fern«, sagte Carter, »und werfen alles, was wir jetzt rausholen, in neue Eimer. Wir wollen nichts verlieren von dem, was auftaucht, egal wie unwichtig es zu sein scheint.« Aus Erfahrung wusste Carter, dass in den Gruben immer noch winzige Splitter von kranken Knochen, die breiigen Überreste von Blättern, selbst die Exoskelette von Insekten gefunden und geborgen werden konnten. Der wasserunlösliche Asphalt hatte alles durchtränkt und es schwarz oder braun gefärbt, aber er hatte auch alle organischen Verbindungen geschützt, die andernfalls während des Prozesses der Versteinerung ausgewaschen und vom Grundwasser fortgespült worden wären. Der Asphalt, der so vielen Kreaturen vor Tausenden von Jahren den Tod gebracht hatte, konnte sie auch wie kein anderes Medium konservieren. Als Ergebnis waren bei den Fossilien, die hier gefunden wurden, wie fast nirgendwo sonst, noch die Gehörknöchelchen der Säugetiere erhalten, die zierlichen Knochen der Vögel sowie Käferflügel, die sich ihre schillernde Färbung erhalten hatten. Versteinertes Holz aus diesen Gruben sah frisch aus, wenn man es auseinanderbrach, und wenn man ein Streichholz daran hielte, würde es brennen.
Ungewöhnlich schweigsam machten sich die vier wieder an die Arbeit. Die Nähe des Schädels, seine leeren Augenhöhlen, die schwarzen, grinsenden Zähne ließen jede Art von Unterhaltung respektlos erscheinen, wenn nicht sogar frevlerisch. Carter musste sich ganz auf die vor ihm liegende Arbeit konzentrieren und mühte sich ab, die Hand, die er vor Tagen ertastet hatte, freizulegen. Er hatte es fast geschafft, als er, irgendwo in der Ferne, merkwürdige Geräusche hörte, die er nicht einordnen konnte.
Zuerst klang es, als würde jemand Ketten rasseln und schütteln.
Dann folgten Rufe, doch die Worte ergaben keinen Sinn.
Schließlich hob Claude den Kopf, seine Brillengläser funkelten im Sonnenlicht. »Carter! Sieh nur!«
Carter drehte sich um, gerade als ein Mann auf die Stahlleiter kletterte, die hinunter in die Grube führte. Es war Geronimo in seiner Wildlederjacke. Er sang etwas, zweifellos in irgendeiner Sprache der Native Americans, und stieg eilig die Sprossen herunter. Als er kurz über dem Boden war, ließ er die Leiter los und sprang auf die Holzbohlen, die am Rand der Grube ausgelegt waren. Carter spürte sie unter seinen eigenen Füßen wackeln und vibrieren.
Die Sicherheitsleute mussten einen Knall haben, dass sie den Typ wieder freigelassen haben. Jetzt war er zurückgekommen und hinten über den Zaun geklettert, der die Anlage umgab.
Aber was sollte er jetzt machen? Carter sprang auf die Füße. Teer tropfte seinen den Händen, als er rief: »Verdammt nochmal, verschwinden Sie von hier!«
»Nein!«, schrie der Mann zurück. »Diese Knochen gehören meinem Volk.« In seinen Mokassins näherte er sich auf dem hölzernen Laufsteg verstohlen dem Quadranten, an dem sie arbeiteten.
Carter schob sich hastig an Miranda vorbei, um ihn aufzuhalten. Rosalie und Claude standen erschrocken auf der anderen Seite des Abschnitts. Carter überlegte, ob er sich irgendwie bewaffnen sollte. Aber womit? Mit einem Eimer voll Teer?
»Sie dürfen nicht hier unten sein«, sagte Carter in
Weitere Kostenlose Bücher