Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Sophie hörte mit größtem Interesse zu.
Der Besuch des Königs von Bayern und einem Teil seines Hofstaates war glanzvoll vorübergegangen. Fürst Pleß hatte ein Gala-Essen gegeben, am Abend fand ein Ball statt, Gut III wurde besichtigt und natürlich auch das Gestüt Luisenhof.
Überall flatterten die bayerischen Fahnen, winkten die Menschen, und sogar die polnischen Landarbeiter und -arbeiterinnen, denen der bayerische König begegnete, waren so sauber und propper gekleidet, daß man glauben konnte, sie gingen nicht aufs Feld, sondern zur Kirche.
Und so war es auch: Leo Kochlowsky hatte seinen polnischen Bataillonen befohlen, diesmal im Sonntagszeug zur Arbeit zu gehen, sonst würde sie der Affe lausen. Er befahl fröhliche Mienen, freudiges Winken, ein paar »Hurras!« und einen Arbeitseifer, als habe man ›Pfeffer im Arsch‹. So war es klar, daß der König von Bayern einen Gutsbetrieb sah, der Neid erwecken konnte.
»Sie haben es einfacher, Pleß«, sagte er denn auch zu dem Fürsten. »Sie haben Ihre Polen! Aber ich? Bei uns ist alles irgendwie menschlicher, wissen Sie?«
Leo Kochlowsky wurde dem König vorgestellt und machte eine tiefe Verbeugung. Stilecht trug er einen braunen, eleganten Reitrock, hellbeige Reithosen und hohe, braune, glänzende Stiefel. Er sah fabelhaft aus – ein Mannsbild, wie man es sich als Verwalter wünscht. Auch das nahm der bayerische König wahr.
»Ein Goldstück von Verwalter«, sagte er, als Leo Kochlowsky auf seinem großen, starken Pferd davonritt. »Wie war sein Name?«
»Leo Kochlowsky. Ein Satan an Grobheit.« Fürst Pleß lachte kurz. »Und ein Weiberheld zum Erbarmen! Eines Tages muß ich ihn rauswerfen, um keine Ehemänner-Revolution auf Pleß zu haben.«
»Sagen Sie mir Bescheid, Pleß, wenn es soweit ist.« Der König von Bayern lachte mit. »Ich nehme ihn zu mir.«
Auf Gestüt Luisenhof führte der Erste Bereiter Jan Pittorski das beste Pferd des Fürsten vor, einen Rapphengst aus arabischer Züchtung. Es war die Vollendung einer Dressurdarbietung.
»Sie können sich mit der Wiener Hofreitschule messen!« sagte der König zu Fürst Pleß. »Und so etwas am Ende der Welt! Wo man denkt, daß da noch die Bären durchs Dorf trotten.«
Auch Pittorski wurde dem König vorgestellt, verbeugte sich tief und entdeckte dann Kochlowsky, der diesmal im Gefolge mitgeritten war. Er plauderte angeregt mit einer Baroneß von Hohenseyn, Tochter eines bayerischen Generals in der königlichen Begleitung. Die Baroneß kullerte mit den Augen und schien von Leo Kochlowsky begeistert zu sein. Während sie lachte, beugte sie sich in der enggeschnürten Taille zurück. Es sah sehr verführerisch aus.
Immer wieder das gleiche, dachte Pittorski bitter. Wo Leo Kochlowsky auftaucht, verlieren die Weiber einfach den Verstand. Ob polnische Magd oder Generalstochter – es gibt keinen Unterschied. Was ist bloß an diesem Kochlowsky dran? Wie macht er das? Hat er dämonische Kräfte? Hypnotisiert sein Blick? Ist es wie bei der Schlange und dem Kaninchen?
Pittorski wartete, bis der bayerische König, von Baron von Sencken geführt, das Gestüt wieder verlassen hatte, und ritt dann hinter der Kolonne her. Er holte Leo Kochlowsky ein und trabte neben ihn. Die Baroneß von Hohenseyn ritt ein Stück vor ihm.
Kochlowsky blickte zur Seite und runzelte die Stirn. »Bleiben Sie zurück, Pittorski!« sagte er grob. »Sie sind wohl verrückt? Seit wann reiten Lakaien im Ehrengefolge mit? Zurück in den Stall, und putzen Sie Ihrem Gaul den Hintern aus! Es ist ja nicht mehr festzustellen, wer mehr stinkt – Sie oder er!«
»Sie stehen auf meiner Liste!« knirschte Pittorski in ohnmächtiger Wut. »Trotz Bluthund und zwei Bewachern – ich bekomme Sie!«
Er riß das Pferd herum und galoppierte davon. Verblüfft sah Kochlowsky ihm nach. Zwei Bewacher? Dann begriff er, mußte schallend lachen und trabte elegant der Begleitung des bayerischen Königs nach.
So lobend sich auch der König über Gut III äußerte und Leo fest die Hand drückte – das alles war nichts gegen den Triumph, den Wanda Lubkenski und ihre Küche erlebten. Das heißt, eigentlich war es der große Tag der kleinen, zarten Sophie Rinne, die auf Geheiß der Fürstin Pleß allein den Nachtischpudding für den König komponierte.
Die Fürstin sagte nicht ›kochte‹, ›herstellte‹, ›erfand‹, ›zusammenstellte‹, ›kombinierte‹ oder ›garnierte‹ – nein, sie sagte ›komponierte‹. Und eine Komposition war es
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