Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
können Sie für mich die Daumen drücken …«
Der Leiblakai zögerte nicht mehr, er schob Leo einfach zur Seite und rannte mit Sophie die Treppe hinauf zum Festsaal.
»Da ist es, mein Nichtchen!« sagte die Fürstin Pleß, als Sophie Rinne in der Saaltür erschien. »Komm her …«
Wie auf Wolken schritt Sophie auf den bayerischen König zu, machte dann einen tiefen Hofknicks und verharrte in dieser Haltung, den Kopf gesenkt. Sie schämte sich maßlos; aus ihrem Kleid entströmte deutlich wahrnehmbar der Geruch der Küche: Braten, Soße, Gemüse.
Der König von Bayern beugte sich vor, legte seinen Zeigefinger unter Sophies Kinn, hob so ihren Kopf hoch und lächelte sie an. »Wie heißen Sie?«
»Sophie Rinne, Majestät.« Ihre Stimme war kindlich.
»Sie haben das Wappen ganz allein gemacht?«
»Ja, Majestät.«
»Wie lange hat das gedauert?«
»Sieben Stunden, Majestät.«
»Und wir essen es in sieben Minuten auf!« Der König streichelte Sophies Wange. »Sie sind eine Künstlerin, Mamsell. Ich habe noch nie einen solch schönen Pudding gesehen. Das mußte ich Ihnen sagen, bevor wir das Kunstwerk zerstören. Gott mit Ihnen …«
Wie im Traum verließ Sophie den Festsaal, die Tür schloß sich hinter ihr, sie stand allein im Treppenhaus. Keiner kümmerte sich mehr um sie. Der Leiblakai hatte andere Sorgen, als sie in die Küche zurückzubringen. Im Saal wurde ihr Pudding angeschnitten.
Aber Leo Kochlowsky stand noch immer da, wo er vorhin gestanden hatte. Langsam, Schritt für Schritt, als könne sie eine Stufe verfehlen in diesem unwirklichen Zustand, kam Sophie die Treppe herunter und zuckte zusammen, als Leo fragte: »Alles überstanden?«
Als erwache sie, strich sie sich über das Gesicht und nickte dann. »Ja. Der König hat mich gelobt.«
»Wegen eines Puddings läßt er beim Festbankett eine Mamsell kommen?«
»Sie sehen es. – Danke!«
»Wofür danke?«
»Sie haben mir die Daumen gedrückt. Es ist alles gutgegangen.«
»Den Pudding haben Sie gekocht, Sophie! Muß das ein Meisterwerk sein! Wenn man das doch auch probieren könnte.«
»Wenn etwas übrigbleibt, schicke ich ein Stückchen hinüber.«
»Das täten Sie, Sophie?«
Sie nickte, strahlte Leo mit ihren blauen Augen an, hob etwas den Rock und rannte davon zum Küchentrakt. Kochlowsky blickte ihr nach, preßte die geballte Faust gegen seine Brust und spürte, wie sein Herz klopfte.
Um sie werde ich kämpfen wie früher ein Gladiator um sein eigenes Leben, dachte er. O mein Gott, was hast du da erschaffen …
Louis Landauer und Eugen Kochlowsky saßen beim Abendessen am Tisch, als Leo vom Schloß zurückkam. Landauer, der nicht nur malen, sondern auch kochen konnte, hatte Schnitzel gebraten. Dazu gab es einen dicken schneeweißen Blumenkohl in einer holländischen Soße. Louis und Eugen kamen sich vor, als lebten sie in einem Märchenland. Eugen hatte bereits vier Pfund zugenommen und bekämpfte ein völlig neues Gefühl: Sodbrennen und Magenvölle.
»Ab morgen wird gearbeitet!« rief Leo Kochlowsky aufgeräumt und klatschte mit leuchtenden Augen in die Hände. »Eugen, du dichtest! Louis, Sie malen! Ich habe Sophie eben gesehen, ich habe sie gesprochen. Es war der Himmel! So kann man Flügel bekommen! Welch ein Engel …«
Er ging zum Schrank, eine Flasche Wein holen.
Eugen Kochlowsky grinste breit, machte mit beiden Händen die Wölbbewegung von Riesenbrüsten und tippte sich dann auf die Stirn.
Armer kleiner Bruder! Aber für dieses Essen hier und hundert Goldmark dichten und malen wir auch Hymnen auf des Teufels Großmutter.
Morgen also! Auf in den Kampf, Louis. Zu zweit werden wir diesen Küchendrachen schon überleben …
VIII
Was Leo Kochlowsky nie erwartet hätte: Sophie Rinne hielt ihr Versprechen.
Am nächsten Morgen erschien ein mißmutiger Gärtnerbursche vom Schloß, einer jener alten Männer, die seit über fünfzig Jahren im Schloßpark die Rosen abschnitten, das Laub zusammenkehrten und die Promenadenwege rechten, klopfte am Verwalterhaus und überreichte Eugen, der öffnete, eine mit Papier zugedeckte Glasschüssel.
»Soll hier abgegeben werden«, brummte der Gärtner. »Man wüßte, was es ist.«
»Woher?« fragte Eugen abweisend.
»Aus der fürstlichen Küche.«
»Gift?«
Der Gärtner starrte Eugen fassungslos an, stierte dann auf die Glasschüssel, wandte sich schnell um und verließ das Verwalterhaus.
Als sei es wirklich ein Gefäß voll Gift, dessen Geruch schon gefährlich ist, trug Eugen die
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