Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Seynck.
Jakob Reichert blickte entsetzt zum Himmel auf. Gott, verhülle dein Haupt! Jetzt kann keiner mehr helfen.
Leo Kochlowsky stieg aus seinem Dogcart, nahm seine lange Peitsche mit und trat an die Kutsche heran. Seine fast schwarzen Augen waren ausdruckslos wie bei einem Bären.
»Du grüner Rotzjunge!« sagte er dunkel. »Steig aus!«
Leutnant von Seynck zuckte zusammen, als habe ihn ein Schuß getroffen. Sein Gesicht wurde weißlich und verzerrte sich. Er griff an seinen Säbel, aber er riß ihn nicht aus der Scheide.
»Ihren Namen!« knirschte er.
»Leo Kochlowsky. Verwalter des fürstlichen Gutes III.«
»Ich werde mich erkundigen, ob Sie satisfaktionsfähig sind, und Ihnen meinen Sekundanten schicken. Ich fordere Sie auf Pistolen.«
»Immer vornehm. Selbst beim Furzen wird stramm gestanden! Pistole, Säbel, Sekundant! Komm heraus, Bürschchen, wir tragen es sofort aus!« Kochlowsky trat zwei Schritte zurück. »Sich erkundigen, ob ein Kochlowsky satisfaktionsfähig ist! Das war ich bereits, als dir noch der Rotz aus der Nase lief!« Er rammte den Peitschenstiel in den Boden. »Oder ist der Herr Leutnant von Seynck nur ein Kleiderständer, über den man eine bunte Uniform gestülpt hat?«
»Sie kennen mich?«
»Notgedrungen! Wer meine Braut belästigt …«
»Sie haben gehört, daß dies eine anmaßende Lüge ist!«
»Es kommt auf den Standpunkt an. Ich betrachte mich als verlobt mit Sophie Rinne und werde Ihnen gleich eine runterhauen … Genügt das immer noch nicht? Es kann ja sein, daß der Herr Husarenleutnant nichts weiter ist als ein feiger Schwengel …«
Eberhard von Seynck schnaubte durch die Nase, sprang aus der Kutsche und kam auf Leo zu. Er war einen Kopf größer als Kochlowsky und sah in seiner Uniform sportlich und überzeugend sieghaft aus. Vor allem war er elf Jahre jünger.
»Na also!« sagte Kochlowsky gepreßt. »Gehen wir ein Stück zum Wald hinüber, da haben wir mehr Platz.«
»Haben Sie eine Waffe bei sich?« fragte von Seynck.
»Wie sie einem Bauernlümmel zusteht!« Kochlowsky hob die lange Peitsche. Leutnant von Seynck starrte ihn zuerst verständnislos an, aber Leo trat an die Kutsche und boxte Reichert gegen die Stiefel. »Gib deine Peitsche her, du Scheißer!« sagte er dabei. Da begriff der Leutnant, wie das Duell aussehen sollte.
»Leo, ich flehe dich an!« Reichert streckte beide Hände nach ihm aus. »Steig auf und fahr weiter …«
»Die Peitsche!«
»Du machst dich für dein ganzes Leben unglücklich, Leo! Ist … ist ein Mädchen das wert?«
Das hätte Reichert nie sagen dürfen, und er bereute es auch sofort. Mit einem Ruck riß Kochlowsky ihm die Peitsche aus der Hand und warf sie Eberhard von Seynck zu. Sie fiel vor dessen Füße in den Staub. Von Seynck bückte sich, nahm sie auf und ließ die lange Lederschnur durch die Luft pfeifen. Dann wandte er sich zur Kutsche zurück und blickte Sophie an. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Finger umkrampften den Griff des Sonnenschirms – wie eine große Porzellanfigur sah sie aus.
»Ich bitte um Vergebung, Sophie«, sagte von Seynck mit mühsam fester Stimme. »Aber diese Schmach kann ich nicht auf mir sitzenlassen. Ich wäre unwürdig, fernerhin diese Uniform tragen zu dürfen. Ich habe einen zweifachen Grund: Er hat auch Sie beleidigt. Es ist eine Entehrung, wenn er Sie seine Braut nennt …«
»Und es ist eine dauernde Entehrung, wenn du sie mit deinen Worten anspuckst!« brüllte Kochlowsky. Er drückte seine Peitsche an sich und kam auf von Seynck zu. »Was ist sie für dich? Ein Spielzeug, ein Abenteuer, eine flotte Laune! Ein Mamsellchen, das man genießen darf ohne Reue wie ein Gläschen Wein!« Er kam an die Kutsche und beugte sich zu Sophie. »Warum sagst du nichts?«
»Waren wir schon per du?« gab sie zur Antwort.
Kochlowsky schluckte krampfhaft. »Du … Sie wissen, wie ich Sie liebe … Ich habe es Ihnen gestern gesagt, und Sie haben es hingenommen, Sophie.«
»Weil Sie immer so brüllen, Leo. Wer kommt dagegen an? Sie schreien mich an wie ein Irrer: Ich liebe dich! – Was soll man darauf antworten?«
»Zurück von der Dame!« schrie hinter ihm Eberhard von Seynck. Gleichzeitig griff er zu, riß Kochlowsky am Ärmel herum und warf ihn gegen die Kutschenwand. »Sie unverschämter Maulheld!«
»Dann komm, mein schmuckes Bürschchen!« sagte Leo heiser. »Hättest du nicht die Uniform an, hättest du längst einen Tritt in den Arsch gekriegt, so einen, wo die Stiefelspitze
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