Kodezeichen Großer Bär
abfallenden Zelle ergaben sich wunderbare Sichtverhältnisse.
Direkt unter meinen Füßen, im Achsenschnitt der nur vierzehn Meter durchmessenden Diskusscheibe, war der neuartige Wasserstoffreaktor eingebaut. In ihm lief jener kontrollierte Kernverschmelzungsprozeß ab, den wir uns schon seit zwanzig Jahren in dieser Vervollkommnung ersehnt hatten. Von geglückten Laborversuchen bis zum verwendungsreifen Gerät war es ein weiter Weg gewesen.
Die Deuterium-Vollkatalyse, bei der Elektronen durch langlebige Bulmar-Mesonen ersetzt wurden, erlaubte die »kalte« Kernfusion bei einer lächerlich geringen Zündungstemperatur von nur 4284 Grad Celsius; ein Wert, den wir mit der Lichtbogenzündung mühelos erreichen konnten. Das molekülverdichtete Material war gut für fünfzehntausend Grad Celsius ohne Verformungserscheinungen.
Es war die Kanzel, und es waren genau die Armaturen, mit denen man mich in einem GWA-Blitztraining vertraut gemacht hatte.
Als ich nun Hannibals prüfende Augen sah, überfiel mich doch ein beklemmendes Gefühl. Es schien ihm bereits etwas besserzugehen, was bei der Wirkung von Activinol auch gar nicht anders zu erwarten war. Wahrscheinlich würde der Zwerg in einer Stunde wieder Bäume ausreißen wollen. Wenn er sich nicht grundsätzlich verändert hatte, würde er mir allerlei Liebenswürdigkeiten an den Kopf werfen. Ich war heilfroh, daß er im Moment noch nicht seine volle Aktivität zurückgewonnen hatte.
Ich nahm in dem Pilotensitz Platz und ließ die Gurte über Schultern und Bauch schnappen.
»Warte noch zehn Minuten!« sagte der Kleine plötzlich. »Ich – äh – ich werde die Maschine lieber selbst in die Luft bringen.«
»Hier gibt es keine.« Mein Lachen klang unecht.
»Ich sitze auf einem Atomreaktor!« beschwor mich Hannibal.
Ob der Gute wohl Angst hatte?
Mit einem vernichtenden Blick sah ich zu ihm hinüber. Der Kleine beantwortete ihn mit beleidigenden Äußerungen.
Im Geist ging ich die Kontrollkladde durch. Im Simultangerät war das wesentlich einfacher gewesen. Als ich zu schalten begann, um die Lichtbogenzündung einzuleiten, kämpfte Hannibal mit einem krampfhaften Hustenanfall.
»Du solltest nicht soviel reden, du bist krank«, belehrte ich ihn. »Beobachte meine Handgriffe. Da ich nicht allwissend bin, könnte ich etwas verkehrt machen. Sprich aber nur dann, wenn es gefährlich werden sollte, okay?«
Seine Augen funkelten zornig. Ich erinnerte mich an einen klaren Befehl, der besagte, daß Hannibal den gelandeten Jäger wieder in den Raum bringen sollte. Er hätte mir die ersten praktischen Erfahrungen mit der 215 B vermitteln sollen.
Das war nun nicht möglich. Sein Körper brauchte noch einige Zeit zur Erholung, aber wir mußten sofort starten! Es gab keine andere Wahl.
Die Temperaturanzeige glitt nach oben. Bei viertausend Grad griff ich nach dem Stufenschalter der Einspritzautomatik. Noch war alles harmlos, da es infolge der Robotsteuerung überhaupt keine gefährliche Fehlschaltung geben konnte. Der neue Fusionsreaktor diente ohnehin nicht mehr dazu, ein bestimmtes Stützmassenmedium aufzuheizen, um es infolge der natürlichen Expansion durch Düsen auszustoßen. Diese Zeit war endgültig vorbei!
Das kernchemische Triebwerk war bereits überholt, wobei es gar keine Rolle spielte, ob man für die Aufheizung nun einen Spaltstoffreaktor oder ein modernes Fusionsgerät verwendete. Die Erwärmung zum Zwecke der gewaltsamen Gas-Ausdehnung war so oder so gegeben.
Der Reaktor, auf dem Hannibal zu sitzen glaubte, war ausschließlich zur Stromversorgung
Weitere Kostenlose Bücher