Königin der Piraten
Druck seiner Hand schmolz sie innerlich dahin. Als er mit den Daumen ihren Nacken streichelte, lief ihr unwillkürlich ein Schauder den Rücken hinunter, und sie spürte warm seinen Atem auf dem Kopf, als er sich über sie beugte und sie auf die Schläfe küsste.
»Ich liebe dich, Maeve.«
Maeve ballte die Fäuste noch fester zusammen, sodass sich die Fingernägel in ihre Handflächen bohrten.
»Ich liebe dich so sehr, dass ich mein Leben für dich hingeben würde.«
Maeve vergrub die Fäuste in der Serviette und dem Nachthemd darunter.
»Ich liebe dich so sehr, dass ich dich heute Abend noch heiraten würde, wenn ich könnte. Aber ich werde warten, weil ich möchte, dass dein Vater unserer Verbindung seinen Segen gibt.«
»Mein Vater!« Maeve schnaubte verächtlich. »Der will doch nichts mehr von mir wissen. Er hat mich enterbt. Für ihn bin ich nicht mehr seine Tochter. Er hat mich im Stich gelassen.«
»Dein Vater«, hörte sie Grays tiefe Stimme leise über ihrem Kopf, »hat die letzten sieben Jahre geglaubt, du wärst tot.«
Gray spürte, wie sich jeder einzelne von Maeves Muskeln anspannte.
»T-tot?« Langsam drehte sie sich auf dem Stuhl zu ihm um, kreidebleich unter dem kastanienbraunen Haar und mit einem so hilflosen, verlorenen Ausdruck in den Augen, dass Gray nur den Wunsch verspürte, sie zu behüten und zu beschützen. »Wie meinst du das, er glaubt, ich wäre ... tot?«
»Schon an dem Tag, als du zum ersten Mal in Lord Nelsons Kajüte geplatzt bist, hat dein Cousin Colin dich erkannt«, erklärte Gray sanft. »Er hat es Nelson gesagt, der hat es mir erzählt, und jetzt sage ich es dir.« Er schaute ihr tief in die Augen und strich ihr über die Wange. »Dein Vater hat dich nicht im Stich gelassen, Liebste. Er glaubt, du wärst tot.«
»Du lügst!«
»Nein, Maeve. Ganz bestimmt nicht.«
Maeve verstummte. Sie schloss die Augen und begann am ganzen Körper zu zittern. »Oh ... mein Gott ...«
Gray schwieg, stand nur neben ihr und war in diesem Augenblick der schrecklichen Erkenntnis für sie da.
»Du meinst ... du meinst, ich habe all die Jahre gedacht, er hätte mich enterbt, und dabei hat er die ganze Zeit geglaubt, ich wäre tot?« Fassungslos und erschreckend blass schaute sie auf. »Aber warum? Warum sollte er das gedacht haben?«
»Colin sagt, dein Vater ist hinter dir hergefahren, sobald er gemerkt hat, dass du von zu Hause fortgelaufen warst. Er ist bis Florida gekommen. Dort haben ihm ein paar Fischer von den Bahamas und anschließend der Kapitän eines französischen Handelsschiffes gesagt, ein Topsegelschoner habe auf den Riffs von einer der kleinen Inseln vor Florida Schiffbruch erlitten.« Gray nahm Maeves Hand. »Die Beschreibung der Kestrel passte auf diesen Schoner, Maeve.«
»Und das hat er geglaubt?!«
»Offensichtlich nicht. Er hat wochenlang nach dir gesucht. Dann ist er verzweifelt nach Hause zurückgekehrt. Ich bin kein Vater, aber seinen Kummer kann ich gut nachempfinden, und auch seine anderen Gefühle. Er hat einfach nicht wahrhaben wollen, dass seine eigen sinnige Tochter nicht mehr lebte, nur wegen eines dummen Streits über das, was er als liebender Vater für das Beste für sie hielt. Vielleicht hat er noch länger geleugnet, dass sie tot war, aber da er nie wieder etwas von ihr hörte, blieb ihm irgendwann wohl nichts anderes übrig, als sich mit den vermeintlichen Tatsachen abzufinden. Wie furchtbar muss das für ihn gewesen sein und für deine ganze Familie.«
»O mein Gott«, flüsterte Maeve. »O mein Gott ... und ich habe die ganzen Jahre ... so schlecht über ihn gedacht - ich ...« Sie verbarg das Gesicht in den Händen; dann sprang sie abrupt auf und wankte benommen zum Fenster. »Ich schäme mich so ...«
Gray trat hinter sie und drehte sie zu sich um. Er zog sie an sich, und während er sie fest an seine Brust drückte und die Wange an ihr Haar lehnte, strich er ihr über den dicken Zopf, der ihr den Rücken hinunterhing.
»Wenn ich mir vorstelle, dass wahrscheinlich auch er jeden Tag aufs Meer hinausgeschaut hat, in der vagen Hoffnung, ich würde zurückkehren - dass auch er jeden Abend am Strand gestanden hat, jeden schrecklichen Abend auf den Horizont gestarrt und sich gewünscht hat, er könnte die Zeit zurückdrehen und alles anders machen. O Gott!« Maeve wehrte sich nicht, als sie spürte, dass Gray sie fester an sich zog. »O Gott, was soll ich nur tun ...«
»Das, was dein Herz dir sagt, Liebste.«
»Aber es ist sieben Jahre her,
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