Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
die Nacht damit verbracht, noch ausstehende Berichte zu tippen und die ersten Spuren im Fall Andermatt zu sortieren. Die Kennzeichen der Fahrzeuge, die beim Eintreffen der Polizei am Aaper Wald geparkt hatten – er hatte sämtliche Halter und ihre Adressen ermittelt und sie auf Vorstrafen überprüft. Vergewaltiger waren nicht darunter gewesen.
    Stündlich meldete der WDR den Tod der Tochter des Mannes, der als künftiger Minister gehandelt wurde. Der Blitz hatte es tatsächlich noch geschafft, Henrike alias Lena in die heutige Ausgabe zu bringen.
    Wieder schlug das Telefon Alarm. Reuter meldete sich.
    Ein älterer Mann, rheinischer Dialekt: »Die Sender terrorisieren mich mit Strahlen. Ich soll das nächste Opfer sein. Das ist übrigens nicht mein erster Hilferuf. Aber man nimmt mich ja nicht ernst. Jetzt habe ich mein Zimmer mit Alufolie ausgekleidet.«
    »Das hilft«, beschied Reuter und legte auf.
    Irre und Verstrahlte waren stets die Ersten, die anriefen.
    Er faltete die Decke und klappte das Bett zusammen. Draußen strahlte der Morgenhimmel, aber es herrschte kaum Verkehr auf dem Fürstenwall. Es war Sonntag. Reuter hob den Arm und schnupperte unter der Achsel. Eine Dusche wäre nicht schlecht.
    Sein Blick fiel auf die Sammlung von Fotos auf dem Tisch: Henrike im Garten, Henrike auf einem Segelboot, Henrike in Schwarz-Weiß, kunstvoll ausgeleuchtet.
    Um Viertel vor neun hatte der Jogger seinen Fund per Notruf gemeldet. Der Arzt, der eine halbe Stunde später eingetroffen war, hatte erste Leichenflecken festgestellt, jedoch noch keine Starre. Nach der Messung der Körpertemperatur hatte der Mediziner errechnet, dass der Tod gegen zwanzig Uhr eingetreten sein musste.
    Reuter war mit Wegmann in den Hirschweg gefahren – die Eltern sollten es nicht aus dem Radio erfahren.
    Henrikes Mutter war heulend zusammengebrochen. Sie mussten einen Notarzt rufen, der ihr eine Spritze verpasste. Richter Gnadenlos bemühte sich um Fassung und wirkte umso angespannter. Keine Einwände, als Reuter und Wegmann die Einliegerwohnung Henrikes in Augenschein nahmen und anschließend die Zugangstür versiegelten. Andermatt half, indem er die Fotos heraussuchte.
    Bei allem Mitgefühl ging Reuter nicht aus dem Kopf, dass Richter Gnadenlos ein Mordmotiv besaß: Marthau hatte ihn erpresst und mit Henrike hatte es Streit gegeben.
    Reuter wählte die Schwarz-Weiß-Aufnahme und pinnte sie an die letzte freie Stellwand. Er setzte Kaffee auf. Dabei hatte er das Gefühl, als verfolgte ihn Henrikes Blick quer durch den Raum.
    Er setzte sich an einen PC und rief seine E-Mails ab. Zwei Nachrichten von Hennerkamm, seinem Chef im KK 22. In der ersten beschwerte er sich, dass Reuter die Dienststelle bei den Ermittlungen gegen Grusew im Stich lasse, und kündigte an, dass er darüber mit dem Kripochef reden würde. Soll er doch, dachte Reuter.
    In der zweiten Mail teilte sein Kommissariatsleiter mit, dass Denis Grusew am Samstagmittag um Viertel vor zwölf von Dortmunder Kollegen auf einem Parkplatz an der A44 bei Werl festgenommen worden war, weil er am Umpacken einer Lkw-Ladung unverzollter Zigaretten beteiligt gewesen war.
    Reuter rechnete: Damit konnte Grusew nicht der Mann sein, der Edgar in seiner Unterbacher Wohnung niedergeschlagen hatte. Der Russe musste das einem Komplizen überlassen haben – wenn er überhaupt dahintersteckte.
    Thilo Becker kam herein und riss ein Fenster auf. »Morgen, Jan. Wie siehst du denn aus?«
    Wiesinger walzte ebenfalls in den Raum, nahm ächzend Platz und startete seinen Computer. »Kein Zuhause, was?«
    Reuter wollte lieber nicht an seine Freundin erinnert werden.
    Das Telefon. »Jan Reuter, Mordkommission.«
    »Guten Morgen.«
    »Morgen, was gibt’s?«
    »Sind Sie dafür zuständig, die Hinweise im Mordfall Andermatt entgegenzunehmen?«
    »Ja, sicher.«
    »Ich habe Henrike gestern getroffen. Sie war angetrunken und ziemlich durcheinander.«
    »Eins nach dem anderen. Wer sind Sie?«
    »Marius Karge, wir haben zusammen studiert und waren eine Zeit lang liiert.«
    Reuter notierte den Namen und ließ sich die Adresse geben. Er versprach Karge, innerhalb einer Stunde zu ihm zu kommen. Die Telefonnummer schrieb er vom Display ab.
    Er legte auf und rieb sich die Augen.
    Bingo – der Tanz ging weiter.
41.
    Reuter nahm den Paternoster nach unten. Er hatte Wegmann Bescheid gesagt, aber er war es leid, noch länger zu warten.
    Im Foyer stieß er auf den Kollegen. »Endlich. Wollte mich schon allein auf den Weg machen.«

Weitere Kostenlose Bücher