Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
beisammen, um über die neue Lage zu diskutieren.
Magdalena schien nichts zu berühren. Wie unter einem Zwang stehend, streifte sie durch die vertrauten Straßen, am Dom vorbei, an der Universität und setzte sich dann, erschöpft von den warmen Temperaturen, auf eine Bank am Pregel. Sie war sehr vorsichtig in ihrer Angst, plötzlich Bekannten zu begegnen, die sie erkennen konnten oder schlimmstenfalls Anton Schäfer selbst über den Weg zu laufen. Und sie machte einen großen Bogen um ihr heimisches Stadtviertel – weil sie es niemals fertiggebracht hätte, emotionslos vor der zerstörten Stätte zu stehen, an der ihr Elternhaus in Schutt und Asche gesunken war.
Schließlich beschloss sie, nicht länger hinauszuschieben, weswegen sie eigentlich gekommen war. Sie fasste sich ein Herz und schlug den Weg zur Wohnung von Pauls Schwester ein. Wenn sie noch dort wohnte, musste sie ihr Auskunft über ihn geben, ob sie gut oder schlecht war. Ihre Hände zitterten, als sie den Finger auf die Klingel legte, so als habe sie Angst vor dem, was sie erwarte, vor dem, was nach so langer Zeit über ihn zu erfahren war. Christine Hofmann öffnete die Tür. Sie sah ihr überrascht entgegen, erkannte sie nicht sogleich, doch als sie ihren Hut abnahm und sich vorstellte, bat sie sie freundlich herein. Es roch angenehm nach frisch zubereiteter Suppe, was in Magdalena sogleich ein bohrendes Hungergefühl auslöste. Sie hatte seit gestern kaum etwas gegessen. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht beim Essen!«, sagte sie höflich.
»Nein, machen Sie sich keine Sorgen, ich koche nur schon vor!«
Magdalena kam ohne Umschweife auf den Grund ihres Besuches zu sprechen. »Ich nehme an, Sie wissen alles über mich. Und ich will Sie auch gar nicht in Verlegenheit oder Unannehmlichkeiten bringen. Deshalb werde ich gleich wieder verschwinden.
Ich bitte Sie nur, niemandem zu erzählen, dass ich hier war.« Ihr Herz klopfte laut. »Wie geht es Paul? Wo ist er? Lebt er noch – geht es ihm gut? Unser Kontakt ist damals abgebrochen, obwohl ich alles versucht habe, ihn zu erreichen. Hat er … hat er irgendwann einmal über mich gesprochen?«
Eine bange Schweigeminute entstand. Christine sah sie unsicher an und schien zu überlegen, wie sie ihre Worte formulieren sollte.
»Paul ist sehr verschlossen. Ich weiß nie genau, was in ihm vorgeht. Die plötzliche Trennung – alles, was damit zusammenhing – das war wohl ein Schock für ihn. Ich glaube, es hat ihn ziemlich verletzt, dass Sie ihm keine Nachricht gesandt haben und so plötzlich verschwunden sind …«
»Aber ich hatte ja einen besonderen Grund … und das habe ich versucht, ihm in einem Brief zu erklären …«
»Die Feldpost ist manchmal etwas unzuverlässig!«, unterbrach Christine. »Paul ist in Russland. An der Front. Es gab dort nichts Wichtigeres, als ums Überleben zu kämpfen. In Leningrad ist er vor einiger Zeit sehr krank geworden. Malaria, Typhus. Man hat ihn nach Hause geschickt, und er war ziemlich lange hier im Hospital. Eine junge Ärztin hat sich sehr um ihn gekümmert …« Sie brach ab. »Ohne sie wäre er wahrscheinlich nicht so schnell gesund geworden.«
Magdalena senkte den Kopf. Ihr Herz klopfte plötzlich unruhig. »Eine junge Ärztin? Aber … wo ist er jetzt? Kann ich ihn sprechen, ihm schreiben?«
Christine zuckte die Schultern. »Irgendwo im Osten, in Russland. Ich weiß es nicht so genau. Er hat schon länger nicht mehr geschrieben. Oder die Feldpost ist nicht angekommen. Vielleicht weiß Dr. Gabriele Braun mehr, die Ärztin, die sich hier um ihn gekümmert hat. Eigentlich verdankt er ihr sein Leben. Er war wirklich am Ende – aber durch sie ist er wieder richtig aufgelebt. Die beiden haben sich oft getroffen, als Paul in Königsberg war.«
»Sie haben sich oft getroffen?«
»Ja, möchten Sie ihre Adresse?«
»Nein … nein danke«, wehrte Magdalena rasch ab und erhob sich. Ihr war, als habe sie ein eiskalter Guss getroffen. »Ich glaube, ich weiß jetzt alles, was ich wissen wollte. Nun muss ich leider gehen.«
»Ich würde Ihnen gerne einen Teller Suppe anbieten«, fügte Christine mit einem besänftigenden Lächeln hinzu, »wenn Ihnen meine Gemüsesuppe nicht zu fad ist! Ich habe die Karotten nämlich selbst aufgesammelt.«
»Nein, vielen Dank!« Magdalena schüttelte den Kopf, obwohl ihr Magen im selben Augenblick laut knurrte. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten. »Ich danke Ihnen auch für Ihre Auskunft. Grüßen Sie Paul
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