Kokoschanskys Freitag
alles andere hat mich nicht zu interessieren. Ihren Freund konnten wir stabilisieren , trotzdem besteht noch akute Lebensgefahr. Die nächsten achtundvierzig Stunden sind entscheidend. Wir haben ihn in ein künstliches Koma versetzt. Reicht Ihnen das?“
„Ja, vielen Dank.“
„Hat Herr Petranko keine Angehörigen?“
„Doch. Eine Frau und eine Tochter. Keine Ahnung, warum die nicht längst hier sind. Ehrlich, wie stehen seine Chancen?“
Der Arzt hebt die Augenbrauen und wiegt den Kopf hin und her. „Fifty, fifty. Die nächsten zwei Tage sind überlebenswichtig.“
„Danke und nochmals Entschuldigung.“
„Schon gut.“
An der Tür wird heftig gerüttelt und geklopft, aber ein Zwei-Meter-Mann wie Kokoschansky ist nicht leicht wegzustemmen.
„Das sind die beiden“, flüstert Kokoschansky, „kann ich mich hier kurz verstecken?“
Wieder ein Blick des Chirurgen, der Bände spricht, dann ein kurzes Nicken und ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht.
„Ich mach das schon. Jetzt fahre ich mit denen Schlitten. Eine günstige G elegenheit sich für ein ungerechtfertigtes Strafmandat zu rächen. Für angebliches Falschparken, pah! Wer von denen ist der Bulle?“
„Der Größere, der extrem Unsympathische.“
Kokoschansky presst sich hinter der Tür an die Wand und freut sich diebisch, dass Greter gleich Paroli geboten werden wird.
„Sagen Sie, wissen Sie, wo Sie hier eigentlich sind?“, fährt der Doktor die beiden Männer an. „Schon mal was von Nachtruhe gehört?“
„Ich bin von der Polizei“, bellt Greter zurück, „und ich verlange ...“
„Und wenn Sie der Papst persönlich wären“, wird er barsch unterbro chen. „Ich bin nur autorisiert unmittelbaren Angehörigen Auskunft über den Patientenzustand zu erteilen. Wollen Sie mehr wissen, wenden Sie sich an die Krankenhausdirektion. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich werde gebraucht.“
„Das hat Konsequenzen“, faucht Greter wütend. „Wie ist Ihr Name?“
„Doktor Frankenstein“, ruft ihm der Arzt zu, verschwindet wieder in der Intensivstation und ist sichtlich amüsiert.
Kokoschansky stellt sich breitbeinig in die Mitte des Raumes, es dauert keine zehn Sekunden und die Tür fliegt auf.
„In dem Riesending kann man sich tatsächlich ordentlich verlaufen. Wisst ihr, wo hier das Häusl 6 ist? Wird Zeit fürs Bett. Was für ein lausiger Tag.“
„Kokoschansky“, zischt Greter wutschnaubend und um seine Contenance ist es längst geschehen, „das wirst du mir büßen. Du kommst auch noch in meine Gasse.“
„Wenn es dort ein Häusl gibt?“
Kokoschansky dreht sich auf dem Absatz um, lässt die beiden wie be gossene Pudel stehen. Wäre der Anlass nicht so besorgniserregend, er würde am liebsten lauthals jubeln, dass es ihm gelungen ist, zumindest vorüber gehend Greter und Schrenk in ihre Schranken zu weisen. Ebenso klar schei nt, seine Liste an Todfeinden verlängerte sich um zwei Personen, was ihn aber nicht weiter stört. Viel Feind, viel Ehr. Petranko wird überleben, davon ist Kokoschansky felsenfest überzeugt. Der Bulle ist ein zäher Hund, der gibt nicht so leicht auf. Egal wie lange es dauert, er wird wieder auf die Beine kommen.
Auf der Heimfahrt mit dem Taxi kommt er aus dem Grübeln nicht heraus, obwohl selbst total erledigt und fertig. Er versucht in alle Richtungen zu denken und bei seinem derzeitigen Wissensstand fallen ihm nur drei Möglichkeiten ein: Entweder wollte jemand eine alte Rechnung mit Petranko begleichen, von der Kokoschansky keine Ahnung hatte oder er ist bereits so t ief in diese mysteriöse Nazigeschichte verstrickt, dass man ihn unbedingt aus dem Verkehr ziehen wollte. Das heißt wiederum, Beschattung des Kriminalbeamten in beiden Fällen. Oder Petranko fiel etwas Ungewöhnliches auf, als er sich auf die Suche nach Kokoschansky Schatten machte, ga b sich zu erkennen und der oder die Unbekannten gerieten in Panik und sta chen ihn nieder. In dem Fall konnten nur die verdammten Albaner dahinters tecken. Ein Raubüberfall war es bestimmt nicht. Zwar hatte man Petrankos Dienstwaffe nicht gefunden, aber sämtliche anderen Wertgegenstände wur den nicht entwendet. Sein Dienstausweis war schlicht zu heiß und wurde deshalb achtlos weggeworfen. Kokoschansky blickt auf seine Zigarettenschachtel, auf der er das Kennzeichen notiert hat: CUX BZ 89. So viel er weiß, steht CUX für Cuxhaven. Welche Rolle spielt nun wieder diese deutsche Hafenstadt in dem immer mehr undurchdringlichen
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