Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
historische Ader, die den Suchenden zu seinem Ziel geführt hatte, getroffen. Er ließ ihn einfach munter weiterreden.
Doch unvermittelt hatte er den Eindruck … oder litt er bereits unter Halluzinationen? Irgendetwas erschien flüchtig auf der Turmtreppe, oder irrte er sich?
»… aber vermutlich wurde er versteckt, damit er nicht in Feindeshand fallen würde, genauer gesagt an die dänischen Truppen, die 1360 während der Krise um Schonen die Festung belagerten.«
Von seinem eigenen ausführlichen Sachwissen fasziniert, dozierte der Suchende wie aus einer fernen Welt. Bis er völlig abrupt seine Geschichtsvorlesung unterbrach und sich dem Unumgänglichen zuwandte.
»Du verstehst sicherlich, dass ich dich nun, nachdem du alles gesehen hast, nicht länger leben lassen kann«, erklärte er in nahezu bedauerndem Tonfall.
Sahlman sah sich gezwungen, einen neuen roten Faden zu finden. Das Klebeband, das seine Hände zusammenband, war nachgiebiger geworden, doch er benötigte einfach noch mehr Zeit.
»Aber … das müssen doch noch mehr Forscher als Sie geahnt haben, oder?«, brachte er hervor, sobald sich die Worte ansatzweise in seinem Kopf geformt hatten.
»Tja, vielleicht, aber ich bin eben zuerst gekommen.«
»Und das Personal hier im Museum?«
»Ha!«, rief der Mann und schnaubte voller Verachtung. »Wie ich schon sagte, die haben nicht den geringsten Durchblick.«
»Sie haben ihnen mit Ihrem audiovisuellen Spektakel doch einen ziemlichen Schrecken eingejagt, oder?«, beeilte sich Sahlman zu fragen und spielte damit seinen allerletzten Trumpf aus.
»Ja, das war wirklich nicht besonders schwer. Es bedurfte nicht gerade außergewöhnlicher Spezialeffekte, um die Weiber hier zu Tode zu erschrecken. Einen Kassettenrecorder, ein paar holografische Projektionen und Gummimesser, das war alles. Den Rest hat ihre eigene Fantasie erledigt.«
»Aber wo haben Sie so etwas gelernt? Ich dachte, Sie wären Experte für das Mittelalter.«
Sahlman redete einfach drauflos, während er verzweifelt seine Fessel um die Handgelenke zu lockern versuchte. Sie hatte sich in der Zwischenzeit zu einem schmalen zähen Band verklebt, das jedes Mal schmerzhaft die Haut einschnitt, wenn er sie dehnte.
»Ferienjob im Theater, als ich fünfzehn war«, lachte der Mann. »Interesse am Film. Alles kommt einem früher oder später zunutze, oder nicht?«
»Sagen Sie, wie alt sind Sie eigentlich?«
»Was geht dich das eigentlich an, Opa?«
»Nur eins noch«, warf Sahlman ein, »wenn Sie mich jetzt erschießen, werden Sie viele Jahre hinter Gittern verbringen. Um genau zu sein, so viele, dass Sie alle verdammte Lebensweisheit, die Sie jemals erworben haben, aufbringen müssen, wenn Sie wieder auf freiem Fuß sind, denn dann gehören Sie selbst zur alten Garde, Junge!«
In seiner Erregtheit holte Sahlman tief Luft, spannte wütend die Handmuskeln und zerrte am Klebeband. Das Band gab unerwartet nach und riss die Haare darunter mit sich, was einen ekelhaften Schmerz erzeugte. Doch er war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.
»Sicher, wenn mich jemand einbuchtet, dann vielleicht!«, schnaubte der Jüngling erneut. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, seine immense Bedeutung nach außen zu kehren, um Sahlmans kleinen Erfolg zu merken.
»Sobald hier oben ein Schuss fällt, wird das Personal den Sicherheitsdienst alarmieren«, log Sahlman, während er in Gedanken die Vorteile eines Nahkampfes gegenüber einem schnellen Tod mittels einer Kugel in den Kopf erwog.
Der Prahler spuckte voller Verachtung auf den Boden.
»Wenn es einen Sicherheitsdienst geben würde, dann wäre er schon längst hier gewesen. Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Und das Personal – Pustekuchen! Wenn es hier oben knallt, dann scheißen die sich da unten in die Hosen, das kann ich dir versprechen. Und bevor jemand hier hoch kommt, bin ich längst über alle Berge.«
Am Rande seines Blickfeldes bemerkte Sahlman, wie sich ein Schatten aus der kompakten Dunkelheit des Treppenhauses löste. Es fiel ihm schwer, sein intensives Interesse nicht durch einen unvorsichtigen Seitenblick zu offenbaren.
»Sie denken also, dass es sich nur um kleine Dummchen handelt?«, fragte er atemlos, während er sich hinter seinem Rücken die letzten Reste des Klebebandes von den Händen riss. »Ich meine die Leute vom Museumspersonal?«
»Das kann man wohl laut sagen.«
»Aber sie wissen auf jeden Fall, wer Sie sind«, log Sahlman erneut.
»Ach Quatsch!«, platzte es aus
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