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Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten

Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten

Titel: Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
Autoren: Bodil Mårtensson
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wartete ein Stück weiter unten an der Straße. Die Dienst habenden Polizisten wärmten ihre Hände an Pappbechern mit dampfendem Kaffee von McDonald’s.
    Er winkte ihnen müde zu, setzte sich hinters Steuer seines eigenen Wagens und wollte gerade den Zündschlüssel herumdrehen, als er sie sah.
    Sie war im Lauf der letzten Tage fast so etwas wie eine gute Bekannte geworden, und heute Abend kam es ihm vor, als wäre sie eine alte Freundin. Jemand, dem man einfach nicht den Rücken zukehrte, wie abgespannt man sich auch fühlte. Er drehte den Schlüssel zurück in die Ausgangsposition, hob die Hand zum Gruß und stieg wieder aus dem Auto.
    Von der sensationslustigen Pressemeute, die zum wiederholten Mal vor der Villa ausgeharrt hatte, bis Beckman ihnen endlich eine – wenn auch magere – Beute für ihre Rubrik vor die Füße geworfen hatte, hielt sich keiner mehr vor Ort auf. Lotta Jönsson war als Einzige nicht mit den anderen zurück in die Stadt gefahren, obgleich sowohl der Krankenwagen als auch die Techniker zu diesem Zeitpunkt bereits abgefahren waren. Sie hatte bis weit nach Redaktionsschluss geduldig auf ihn gewartet.
    »Hallo«, sagte sie etwas verfroren, »wissen Sie – sie war immerhin eine Kollegin. Können Sie mir nicht sagen, was eigentlich wirklich geschehen ist?«
    Er räusperte sich, und sein Atem stand wie eine weiße Rauchwolke zwischen ihnen in der schwarzen Nacht. Sie zog himmelwärts, löste sich auf und verschwand irgendwo auf dem Weg zu den Sternen wie ein unsichtbarer Bote auf der Fahrt in den Weltraum.
    »Ich kann Ihnen kein Exklusivinterview geben, das wissen Sie ja.«
    »Ja, natürlich. Ich wollte nichts schreiben, es ist längst zu spät. Ich würde das Ganze einfach nur gerne verstehen.«
    »Was gibt es da zu verstehen?«, fragte er matt. »Sie ist tot, und wir können sie nicht wieder lebendig machen.«
    »Aber warum ist es gerade ihr passiert? Ich meine, es gibt doch viele andere Frauen, die ähnlich wie sie sind und es trotzdem schaffen. Bekommen genau das, was sie haben wollen und leben ihr Leben glücklich bis zum Schluss. Warum musste es bei Anne nur so schief laufen?«
    Er schüttelte den Kopf, schlug den Kragen seiner Jacke im Nacken ein wenig höher und blies seinen warmen Atem auf die auskühlenden Finger.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete er. »Wir Polizisten beschäftigen uns nicht mit diesem Aspekt der Sache. Wir kommen, wenn alles vorbei ist, sammeln die Reste ein, finden im besten Fall jemanden, den wir hängen können – und dann gehen wir wieder.«
    Sie warf ihm einen ironischen Blick zu und prustete völlig unerwartet laut los, sodass ihr weiß gefrosteter Atem dem seinen auf dem Weg in den Weltraum nachjagte. »Und das soll ich Ihnen glauben? Dass Sie ein vierzehnjähriges Mädchen hängen? Deshalb?«
    Sie machte mit ihren dicken wollenen Handschuhen eine weitschweifende Geste in Richtung der Nilmedschen Villa. Hill verstand, dass sie wohl kaum das Objekt an sich meinte, sondern eher das Elend, das in diesem Haus seinen Ursprung genommen hatte, und sah ein, dass er ihr wirklich nicht so schnell den Rücken würde zuwenden können.
    Er lächelte etwas müde. »Okay, wie lautet denn Ihre Theorie?«, wollte er wissen.
    Lotta Jönsson von Kvällsposten seufzte tief, warf einen kurzen Blick in den sternenklaren Nachthimmel und bekannte Farbe.
    »Ja, mein Gott! Wir saßen in verschiedenen Vorlesungen nebeneinander, sie und ich. Ist doch klar, dass man sich Gedanken macht. Seit Montagabend grübele ich über diese Sache. Ich habe versucht, mir ein Bild zu machen, mich in ihre Situation hineinzuversetzen, von dem Tag an, wo sie diesen Kerl traf, bis zu der Sekunde, in der sie starb.«
    »Hmm.«
    Hill vergrub die Hände in den Jackentaschen und fühlte sich mit einem Mal viel frischer als zuvor, jetzt, wo sie dabei waren, eine direkte Verbindung herzustellen. Und der Frage nachgingen, wie Anne Smitt wirklich gewesen war.
    »Wie ich es auch drehe und wende, komme ich immer zu demselben Schluss«, überlegte sie.
    »Which is?«
    Er war immer noch Clint Eastwood, nun allerdings in der eiskalten Nacht der Wüste. Er war der stille, aufmerksame Einzelgänger, der bald wieder in die Dunkelheit der Nacht hinausreiten würde, und sie vertraute ihm alles an.
    »Anne war Solipsist«, klärte ihn Lotta Jönsson auf, die auch ein paar Semester Philosophie studiert hatte. »Und zwar von Kopf bis Fuß, deshalb konnte es praktisch gar nicht anders
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