Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
zugestoßen ist..."
Er erklärte mit knappen Worten, was sich in der Kiesgrube ereignet hatte. Als er die Stelle erreichte, wo er von den mutwillig zerstörten Bremsen und seinem Kampf auf Leben und Tod sprach, begann Jeanette haltlos zu schluchzen.
Stuart strich behutsam über das weiche Haar des Mädchens. „Irgend etwas muß geschehen", murmelte er. „Und zwar rasch!"
„Ihr wißt noch nicht alles", sagte Roger.
Jeanette blickte ihn aus tränenumflorten Augen an. „Noch nicht alles?"
Roger nickte. „Ed ist tot!"
Stuart befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. „Das kann nicht sein!"
Jeanettes Tränen versiegten schlagartig. „Du hast ihn .. . getötet?"
„Nein."
„Erzählen Sie, bitte", forderte Stuart.
„Viel gibt's da nicht zu erzählen. Ich traf gegen halb neun Uhr dort ein. Die Tür zur Wohnung war nur angelehnt. Ich ging einfach hinein. Da sah ich ihn liegen ... vor der geöffneten Badezimmertür."
„Lieber Himmel", murmelte Stuart. „Das ist eine weitere Komplikation. Hat man Sie beim Betreten oder beim Verlassen des Hauses beobachtet?"
„Nein."
„Sind Sie ganz sicher?"
„So ziemlich."
„Haben Sie in der Wohnung irgend etwas angefaßt?"
„Nein."
„Auch nicht die Türklinke?"
„Ich trug Handschuhe.“
„Jetzt, im Sommer?" fragte Stuart, mit einem Unterton von Mißtrauen in der Stimme.
„Beim Autofahren trage ich grundsätzlich Handschuhe", erklärte Roger. „Ich war ziemlich nervös, als ich das Haus betrat. Daran mag es gelegen haben, daß ich vergaß, die Handschuhe abzustreifen."
„Was haben Sie dann getan?"
„Was hätte ich denn tun sollen? Dem Mixer konnte kein Arzt mehr helfen. Einen Moment lang überlegte ich, ob es ratsam sei, den Inspektor anzurufen, aber dann ergriff ich einfach die Flucht. Es gibt keinen anderen Ausdruck dafür. Ich rannte kopflos davon. Erst die Sache mit Patrick, dann der Mord an Ed... es war und ist zuviel für mich!"
Er legte die Arme auf die Tischkante und barg seinen Kopf darin. Stuart Lincoln erhob sich und ging im Zimmer hin und her. Jeanette folgte ihm ängstlich und zugleich hoffnungsvoll mit den Blicken.
„Was schlägst du vor, Stuart?"
„Gib mir ein paar Minuten Zeit. Das ist eine völlig neue Situation für mich. Damit muß ich erst fertig werden." Dann blieb er stehen und schaute Jeanette an. „Ed muß verschwinden!" fuhr er fort. „Er muß weg!"
Roger hob den Kopf. „Das ist völlig unsinnig", meinte er. „Wir können nicht in einem fort die Opfer des Unbekannten beseitigen. Es wird Zeit, daß wir uns der Polizei anvertrauen."
„Ausgeschlossen", sagte Stuart. „Das wäre glatter Selbstmord!"
„Wir sind unschuldig", erklärte Roger. „Ich gebe zu, daß wir uns gegen das Recht vergangen haben. Ich bestreite nicht, daß ich unverantwortlich handelte, als ich Patrick beseitigte . . . aber das Gericht wird einsehen, daß ich in einem Anfall von auswegloser Panik vorging."
„Verlassen Sie sich auf das Gericht", riet Stuart. „Alle Indizien sprechen gegen Sie!"
„Nicht alle", korrigierte Roger. „Jeanette und ich waren nicht in Memphis, als die Mordserie begann."
„Vielleicht wird man gerade diesen Umstand gegen Sie und Jeanette ins Feld führen", wandte Stuart ein. „Man könnte behaupten, daß die Geschwister Landville einen dritten damit beauftragten, den Mord auszuführen."
„Das ist doch Nonsens!" sagte Roger ärgerlich.
„Gewiß. Aber diese Art von Nonsens wird die Geschworenen tief beeindrucken .. viel tiefer als die Tatsache, daß das Mutter-Kind-Verhältnis in diesem Haus nicht besonders herzlich war. Ihr müßt euch vor Augen halten, daß die Geschworenen einfache, biedere Bürger sind, in deren Unterbewußtsein eine heftige Abneigung gegen die alten, reichen Familien dieser Stadt schlummert. In euch sehen sie instinktiv ihre Feinde. Sie werden nur allzu gern bereit sein, nachzuweisen, daß die Abkömmlinge der alten Familien im Grunde genommen nur verbrecherische Nichtsnutze sind."
„Gegen diese Vorwürfe werden wir uns zu verteidigen wissen!" meinte Roger.
„Zwei Dinge werden Sie nicht in Abrede stellen können", sagte Stuart. „Erstens sind Ihre Beziehungen zu der Frau Ihres besten Freundes sehr intimer Natur, und zweitens haben Sie Patrick O'Conners' mit Hilfe Ihrer Geliebten in einer Kiesgrube versenkt. Das läßt Sie von vornherein so verworfen und suspekt erscheinen, daß daneben alle Argumente der Verteidigung verblassen."
„Stuart ist Jurist", murmelte Jeanette.
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