Kommissar Morry - Die Todesstrasse
Wasserweg der Themse. Aber angefangen von der Tower-Bridge in der Stadt selbst, bis zur Flußmündung bei Southend auf der nördlichen Seite der Bucht, und Caterbury südlich, es war den Schmugglern überall vielfach die Gelegenheit gegeben, die Ware von den einkommenden Schiffen zu übernehmen, ohne daß der Yard davon Kenntnis erhielt. Darum war es auch so schwer, den Burschen schon das Handwerk zu legen, bevor die von ihnen gekauften Rauschgifte den Weg in die vielen geheimen Kanäle dieser Stadt nahmen.
Die Arbeit der Polizei setzte meistens erst dann ein, wenn die heiße Ware schon bei den Verbrauchern war. Und diese bissen sich meist lieber die Zunge ab, als ihren Lieferanten zu verraten. In den seltensten Fällen konnte ein Süchtiger so weit gebracht werden, brauchbare Angaben zu machen, die vielleicht zur Zerschlagung der verbrecherischen Organisation führten. Daran änderte auch die Unterbringung dieser Personen in eine Heil- und Entwöhnungsanstalt nichts.
Es war schon eine schwere Verantwortung, die Kommissar Robert Bethmont zu tragen hatte. Bisher hatten er und seine Leute diese schwere Aufgabe noch zu meistern gewußt. Auch fernerhin mußte es so sein. Aber, und das war zur Zeit die Schwierigkeit, er und das von ihm geleitete Rauschgiftdezernat befanden sich auf einem toten Punkt. Nicht etwa, daß sie sich über Arbeitsmangel hätten beklagen können! Im Gegenteil! Viel zuviel lastete auf ihnen! Aber alle ihre Spuren, die bis ins kleinste verfolgt wurden, verliefen so gut wie ergebnislos im Sande. Das war es, was den Kommissar mehr und mehr in Zorn brachte.
Auch am Morgen nach den Ereignissen am Commercial-Dock war seine Stimmung nicht durchaus rosig. Grimmig saß er hinter seinem Schreibtisch und stöberte in den vor ihm liegenden Akten.
„Halbwerk, nichts als Halbwerk!" sagte er und klappte die eben erst aufgeschlagene Akte wieder zu.
„Well!" stimmte der in seinem Büro anwesende jüngere Mann dem Kommissar zu.
„Wir hängen mal wieder sozusagen in der Luft! So langsam wie jetzt sind wir selten vorwärts gekommen!"
„Es ist zum Verzweifeln!" Der Kommissar setzte zu einem wenig salonfähigen Kraftaus-druck an, bremste aber seine Worte rechtzeitig ab und meinte brummig:
„Trotzdem, genauso ist es!"
Gerade wollte er sich wieder seinen Akten zuwenden, als sein Mitarbeiter ihn auf die Eingangsmappe aufmerksam machte. Er trat an den Schreibtisch heran und deutete mit der Hand auf die Mappe.
„Da ist heute morgen ein Bericht aus dem District S. E. 16 gekommen. Ich weiß nicht, vielleicht finden wir da einen Anhaltspunkt? Mir persönlich kommt die Sache jedenfalls verdächtig vor!"
Schon hatte der Kommissar die bezeichnete Mappe ergriffen und studierte den Bericht des Führers des Funkstreifenwagens. Sein Gesicht hellte sich keineswegs auf. Noch einmal schien er die Zeilen zu lesen. Schließlich pfiff er vor sich hin und meinte dann enttäuscht: „Kaum etwas für uns! — Mord, beziehungsweise die Ermittlung der Ursache dieses Todes ist Sache des Sonder-Dezernats. Schicken Sie den Bericht Kommissar Morry vom Sonderdezernat. Teufel auch! Er wird sich freuen, wieder einmal hinter einem Phantom her jagen zu müssen!"
Schon reichte er dem jungen Yard-man den drei Bogen umfassenden Bericht hinüber. Dieser aber erwiderte: „Sir! — Besteht nicht vielleicht die Möglichkeit, daß die in dem Bericht erwähnten Schüsse auf einen Mann abgegeben wurden, der zu der Clique gehört, die wir gern hinter Schloß und Riegel sehen würden?"
Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck sah der Kommissar seinen Untergebenen an. Er wiegte bedächtig seinen Kopf hin und her und meinte:
„Gewiß, diese Möglichkeit besteht natürlich. Doch bevor wir nicht wissen, wer dieser Mann ist, auf den angeblich geschossen worden sein soll, müssen wir uns an die Dienstvorschrift halten und das zuständige Dezernat benachrichtigen. Aber, warten Sie!" unterbrach sich der Kommissar und griff zum Tischapparat.
„Kommissar Morry ist, wie ich vorhin gesehen habe, zur Zeit im Hause. Er wollte schon lange mal bei uns hereinschauen. Jetzt möchte ich seinen Besuch für die Aufgaben, die wir unter Umständen gemeinsam durchführen müssen, erbitten."
Wenig später klang die dunkle Stimme Kommissar Morrys in dem Mikrofon auf.
„Morning, Robert! — Wie geilt es?" begrüßte er sichtlich gut gelaunt seinen Kollegen, als dieser sich gemeldet hatte.
„Wie? Oh, schlecht!" knurrte der Gefragte.
„Ich verstehe!" kam es vom anderen
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